Friedenspolitische Vernunft statt Kriegsbesoffenheit führt zur Gründung einer neuen Partei.

Wenn sich Menschen gesellschaftlich nicht mehr wertgeschätzt fühlen und das Vertrauen in das politische System verlieren, dann leidet darunter auch die Demokratie.

Deshalb muss die »Marktmacht begrenzt und marktbeherrschende Konzerne entflechtet werden. Wo Monopole unvermeidlich sind, müssen die Aufgaben gemeinnützigen Anbietern übertragen werden«, das klingt ja ganz gut, man wünscht sich aber doch eine deutlich besser ausgefeilte Programmatik. Mit ihrer friedenspolitischen Vernunft bleibt das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ dennoch unentbehrlich. Für mich ist die Partei „DIE LINKE“ durch ihren kriegspolitischen Schwenk unwählbar geworden. Forderungen nach Mandatsverzicht sind vollkommen unverständlich, wo Leute wie Dagdelen und Wagenknecht der Linken viele Stimmen gebracht haben. Wo Wirtschaftsmacht der Politik oft viel zu viele Zwänge auferlegt, ist es ja eine verständliche Forderung, Unternehmen wie BlackRock zu entmachten. Wie man das aber bewerkstelligen will, wäre doch interessant zu wissen; genauso wie zum Beispiel das Potential großer Unternehmen zu nutzen, ohne sich von diesen an der Nase herumführen zu lassen. Hier nun die Austrittserklärung von neun Bundestagsabgeordneten der Partei »DIE LINKE«:

Liebe Mitglieder der Partei DIE LINKE, wir haben uns entschieden, DIE LINKE zu verlassen und eine neue Partei aufzubauen. Dieser Schritt ist uns nicht leicht gefallen. Denn DIE LINKE war Jahre- oder sogar jahrzehntelang unser politisches Zuhause. Hier haben wir Mitstreiterinnen und Mitstreiter kennengelernt, von denen viele zu Weggefährten und einige zu Freunden wurden. Mit ihnen gemeinsam haben wir Abende und Wochenenden bei Parteiveranstaltungen verbracht und in Wahlkämpfen Sonderschichten eingelegt. All dies hinter uns zu lassen, fällt uns schwer – politisch wie persönlich. Hätte es einen besseren Weg gegeben, wir wären ihn gerne gegangen. Weil wir uns mit vielen von Euch verbunden fühlen, möchten wir unsere Entscheidung begründen.

Die Konflikte der letzten Jahre wurden um den politischen Kurs der LINKEN geführt. Immer wieder haben wir argumentiert, dass falsche Schwerpunkte und die fehlende Konzentration auf soziale Gerechtigkeit und Frieden das Profil der Partei verwässern. Immer wieder haben wir angemahnt, dass die Fokussierung auf urbane, junge, aktivistische Milieus unsere traditionellen Wähler vertreibt. Immer wieder haben wir versucht, den Niedergang der Partei durch eine Änderung des politischen Kurses aufzuhalten. Damit hatten wir keinen Erfolg – und im Ergebnis hatte die Partei bei den Wählerinnen und Wählern immer weniger Erfolg. Die Geschichte der LINKEN seit der Europawahl 2019 ist die Geschichte eines politischen Scheiterns. Die jeweiligen Parteiführungen und die sie stützendenden Funktionäre auf Landesebene waren entschlossen, dieses Scheitern auf keinen Fall kritisch zu diskutieren. Es wurde weder eigene Verantwortung dafür übernommen, noch wurden inhaltliche Konsequenzen daraus gezogen. Vielmehr wurden diejenigen, die dem Kurs der Parteiführung kritisch gegenüberstanden, als Schuldige für die Ergebnisse ausgemacht und immer weiter ausgegrenzt.

Wir sehen vor diesem Hintergrund für unsere Positionen keinen Platz mehr in der Partei. Als Beispiel sei an den „Aufstand für den Frieden“ vom Februar 2023 erinnert. Es war die größte Friedenskundgebung der letzten knapp 20 Jahre. Zehntausende versammelten sich vor dem Brandenburger Tor. Obwohl, und gerade weil etwa die Hälfte der Bevölkerung den militärischen Kurs der Regierung ablehnt, hat sich das gesamte politische Establishment des Landes gegen die Kundgebung gewehrt und sie diffamiert. Statt uns in dieser Auseinandersetzung zu unterstützen, stand die Parteiführung der LINKEN Schulter an Schulter mit den anderen Parteien: Sie hat den Initiatoren der Kundgebung vorgeworfen, „rechtsoffen“ zu sein und war so Stichwortgeber für Vorwürfe gegen uns.

Die politischen Räume für uns in der Partei wurden so klein, dass wir mit geradem Rücken nicht mehr reinpassen. Aus unseren Landesverbänden wissen wir: So geht es vielen Mitgliedern der LINKEN. Auch für sie wollen wir mit der neuen Partei eine neue politische Heimat schaffen.

Dies tun wir aus innerer Überzeugung, denn eine Partei ist kein Selbstzweck. Was uns antreibt: Wir wollen die politische Entwicklung nicht länger hinnehmen. Die sozial verheerende Politik der Ampel kostet große Teile der Bevölkerung Einkommen und Lebensqualität. Die deutsche Außenpolitik munitioniert Kriege, statt sich um Friedenslösungen zu bemühen. International eskalieren Konflikte, die sich abzeichnende Blockbildung ist eine Bedrohung für den Weltfrieden und wird massive ökonomische Verwerfungen mit sich bringen. Gleichzeitig wird Widerspruch gegen diese politische Entwicklung in der öffentlichen Diskussion immer häufiger sanktioniert und an den Pranger gestellt. Aber Demokratie braucht Meinungsvielfalt und offene Debatten. Die Unfähigkeit der Regierung, mit den Krisen unserer Zeit umzugehen, und die Verengung des akzeptierten Meinungskorridors haben die AfD nach oben gespült. Viele Menschen wissen schlicht nicht mehr, wie sie anders ihren Protest artikulieren sollen. DIE LINKE tritt in dieser Situation nicht mehr als klar erkennbare Opposition auf, sondern als weichgespülte „Ja, aber…“-Partei. Sie ist mit diesem Kurs unter die Wahrnehmungsgrenze der Bevölkerung gesunken. Aktuell spricht alles dafür, dass sie im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein wird, während die AfD in Umfragen bei über 20 Prozent steht. Wir haben die Verantwortung, den Kampf um die Ausrichtung der Politik und um die Zukunft unseres Landes wieder ernsthaft zu führen. Dafür wollen wir eine neue politische Kraft aufbauen, eine demokratische Stimme für soziale Gerechtigkeit, Frieden, Vernunft und Freiheit.

Wir gehen ohne Groll und ohne Nachtreten gegen unsere alte Partei. Der Konflikt ist für uns abgeschlossen. Wir wissen: Einige von Euch haben diesen Schritt herbeigesehnt, andere werden enttäuscht sein und wieder andere werden nun abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Euch allen sagen wir: Wir möchten uns wie Erwachsene trennen. Ein Rosenkrieg würde uns allen schaden. Die Partei DIE LINKE ist nicht unser politischer Gegner. Den vielen unter Euch, mit denen wir lange Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet haben, sagen wir auch: Wir sind bereit für Gespräche und würden uns freuen, Euch zu einem geeigneten Zeitpunkt in unserer Partei begrüßen zu können.

Für mich liegt ein solches Projekt angesichts des mangelnden Profils von der kapitalistischen  SPD und der Linkspartei nahe. Linke Friedenspolitik? Entspannungspolitik in schwierigen Zeiten? Nicht erkennbar. Linke Verteilungspolitik? Fragen und Kritik zur Verteilung von Einkommen und Vermögen? Kein großes Thema für die etablierte Linke. Eine aktive Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik? Umweltschutz trotz schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen? Alles keine großen Themen im linken Bereich. Die Resonanz? In Befragungen zur Stimmung im Volk taucht im linken Bereich keine absehbare Mehrheit mehr auf.

Es gibt es immer noch eine Mehrheit für die Friedenspolitik und es gibt auch immer noch eine Mehrheit von Menschen, denen die Verteilung der Einkommen und Vermögen nicht egal ist. Das gilt auch für die Ökologie. Sehr viele Menschen und Unternehmen leiden auch unter den gestiegenen Energiepreisen und machen sich große Sorgen um ihre Zukunft; Sorgen, auf die sie zurzeit von keiner Partei eine befriedigende Antwort bekommen. – Die politischen Vorstellungen für diese wichtigen Felder der Politik werden nicht mehr richtig artikuliert. Alleine diese mangelhafte Artikulation wichtiger politischer Anliegen macht es schon notwendig, an die Gründung einer neuen Partei zu denken.

Hinzu kommt die Tatsache, dass die drei Parteien des linken Spektrums durchgehend damit zu kämpfen haben, dass sie wahrscheinlich von Einflussagenten unterwandert sind. Ein Beispiel: die Außenpolitik der SPD wird wesentlich von Michael Roth bestimmt, schon deshalb, weil er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages ist und damit eine herausragende Position einnimmt. Das ist ein Fall von vielen. Diese erkennbare und weitverbreitete Fremdbestimmung in Kombination mit der programmatischen und politischen Leere lässt Überlegungen für neue Parteiprojekte als dringend notwendig erscheinen. Sahra Wagenknecht wird dieser Notwendigkeit vermutlich gerecht werden. Deshalb ist ihr Projekt keine Überraschung und deshalb hat ihr Projekt auch Chancen.

Für mich beginnt die Schuldfrage der Linkspartei bereits seit der Corona Zeit. Mal sind es die Querelen und Streitigkeiten zwischen dem „Wagenknecht“- und „Kipping“-Flügel.

Auch die massive Lotsen-Funktion der Medien, die Chronifizierung der Angst (in Form einer absurden „Rote-Socken-Kampagne“ von CSU/CDU bis FDP) und die Dezimierung der Wahlinhalte auf drei Kanzlerkandidat*Innen kann man als Gründe für dieses Debakel anführen.

Auffallend ist bei allen Schuldangeboten, dass man das Corona-Thema fast vollständig ausblendete, obwohl alle wussten, dass das nicht nur die Wahlen beeinflusst hatte, sondern das ganze Leben bestimmt, bis in die Freundschaften hinein.

Die Partei DIE LINKE blieb in allen kontroversen Fragen stumm. Anstatt die notwendig strittigen Fragen und Positionen offen und lehrreich vorzustellen, schwieg man in aller Regel. Der kleinste gemeinsame Nenner rund um die Partei DIE LINKE bestand aus weitgehendster Zustimmung zu den Corona-Maßnahmen, bei gleichzeitiger Diffamierung derer, die die Corona-Maßnahmen kritisierten. Der politische Gegner war nicht die Bundesregierung, sondern es waren die „Querdenker“, also jene, die das machten, was eigentlich zum Wesenskern einer Linken gehört: Die Verteidigung von Grund- und Schutzrechten.

Auch wenn man alles dafür getan hat, dass man nichts mehr von Corona hören will, wäre gerade das Corona-Regime eine ausgezeichnete Gelegenheit gewesen, alle wesentlichen Essentials einer Linken durchzubuchstabieren, also anzuwenden:

Ist die Sorge um unsere Gesundheit, unser Leben eine Herzensangelegenheit der Bundesregierung oder ein Ideologie-Mantra, das nicht erst seit Corona ein wesentlicher Baustein ist, um dahinter andere Interessen zu verstecken?

Welche Rolle spielen Pharmakonzerne bei der Art der Bekämpfung der Pandemie – wenn ihre Macht und ihr Einfluss sogar so weit gehen, dass sie Gesetzesvorlagen „diktieren?

Warum wurden Wissenschaftler, Ärzte und Fachleute, die dem Regierungsmantra nicht folgten, dermaßen denunziert und aus der öffentlichen Debatte ausgeschlossen, wenn man das allseitige Nicht- und Wenig-Wissen über Covid-19 als Allgemeinwissen zugrunde legen konnte?

Warum stellt sich die Linke nicht vor diese Kritiker*Innen, schützt sie vor Denunziationen und sorgt dafür, dass man sie hört, dass man sich mit ihren Positionen auseinandersetzen konnte?

Warum begrüßten Linke Demonstrationsverbote gegen „Querdenker“ und legten sich mit derart goutierten „Begründungen“ selbst die Schlinge um den Hals?

Auch wenn die sehr geringe Streitfähigkeit innerhalb der Linken das Thema „Corona“ mitvergiftet hatte, bewegt es viele Menschen. Sie werden aus der Bahn geworfen, sie machen sich Gedanken, suchen nach Erklärungen – auf sehr unterschiedliche Weise. Dazu gehörten nicht nur jene, die zu Querdenker-Demonstrationen gingen. Dazu gehören auch ganz viele, die sich von allen im Stich gelassen fühlten – auch von der Linken. Im schlimmsten Fall erlebten sie diese als arrogant, staats-devot und herrschsüchtig. Im besten Fall war sie einfach nicht erreichbar, nicht ansprechbar, nicht hilfreich.

Die Kluft zwischen dem, was diese linke Partei programmatisch versprochen hatte und was sie als Opposition oder in Regierungsbeteiligung umgesetzt hatte, ist gewaltig.

Mehr noch: Die Partei DIE LINKE hat sich an Regierungen beteiligt (wie in Berlin als Kopilot in der rot-roten Regierung 2002-2011) und aktiv daran mitgewirkt, den bereits dürftigen Bestand an städtischem/gemeinnützigem (also bezahlbarem) Wohnraum weiter zu verscherbeln, der jetzt zum Teil über eine Enteignung großer Immobilienkonzerne zurückgeholt werden soll.

Wie man politische Ideen und Forderungen nicht umsetzt, sondern im Zweifelsfall opfert, hat die Partei DIE LINKE noch vor kurzem bewiesen. Fakt ist, die Partei Die LINKE steht am Abgrund der Bedeutungslosigkeit, die sie selbst als Beutegemeinschaft verursacht hat. Das Profil der Partei „Die Linke“ ist zu beliebig geworden. Ich habe die Partei Die Linke zuletzt jedenfalls immer mehr wahrgenommen als ein Sammelbecken für alles, was »irgendwie links« ist oder sich dafür hält. Funktioniert ja auch einigermaßen, solange es Posten zu verteilen gibt.

Fakt ist auch, dass der Parteivorstand der LINKEN dem Europa-Parteitag im November 2023 in Augsburg einen Leitantrag als Entwurf für ein Europawahlprogramm vorlegen wird, der eine traurige Tradition fortschreibt: Die wichtigste Frage, die bei dieser Wahl gestellt wird, bleibt unbeantwortet: Wie steht die LINKE zu dem von mehreren Krisen existenziell geplagten Bündnis kapitalistischer Staaten aus Europa, das sich „Europäische Union“, oder noch anmaßender „Europa“ nennt? Genaugenommen bieten die EU-Programme der LINKEN nur widersprüchliche Antworten an: „Für die EU“ und „Gegen die EU“. Selbst da, wo die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse eine solche strategische Gewichtung unmittelbar aufzwingen, wie in der Frage der Aufrüstung, der Kriegspolitik angesichts des Ukrainekrieges oder auch in der Klimagerechtigkeitsbewegung, verweigert sich das Wahlprogramm und addiert nur Forderungen zu einem leblosen Katalog.

Die LINKE ist eine Partei, in der die Mitglieder gar nichts, die Vorstände wenig und die Fraktionen alles zu sagen haben. So hat die Partei nie gelernt, mit inhaltlichen Widersprüchen konstruktiv umzugehen. Es wird solange zerstückelt und entschärft, bis alle Beschlüsse weitestgehend einheitlich gefasst werden. Das Ganze wird noch durch einen dicken Kitt aus Moralisieren, Harmoniegeschrei und Verteufelung von Streit zusammengehalten. Wenn es mal Mehrheit und Minderheit gab, wurde stillschweigend oder auch mal laut erwartet, dass nach einer Abstimmung die Minderheit verschwunden ist – sie natürlich in der Regel nicht.

Spätestens in dem Moment, wo die politischen Verhältnisse außerhalb der Partei eine klare Positionierung der Partei erfordern, wird diese Unfähigkeit, mit Widersprüchen umzugehen, zu einer Lähmung der Praxis der Partei oder – schlimmer noch – zu einem intriganten Kampf der Meinungslager gegen die jeweils anderen führen, mit allen inner- und außerparteilichen Tricksereien.

Spätestens die massive, alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringende Klimakrise, das 2015 eskalierende Problem des Umgangs mit Geflüchteten (was sich 2023/24 sicher noch einmal wiederholen wird) und die existenzielle Krise von Euro und EU führten auf diese Weise zu einer handlungsunfähigen und zerstrittenen LINKE. Noch einmal verstärkt wurde der massive Handlungsdruck auf die LINKE durch den neuen Weltordnungskrieg in der Ukraine.

Einzelne Parteiteile konspirieren und intrigieren gegeneinander, dass die politischen Gegner ihre helle Freude hatten.

Jetzt wird überall über den Streit und die Zerstrittenheit gejammert. Aber es ist nicht der Streit, der zerstörerisch wirkt. Es ist die Beliebigkeit, die sich eine auf Veränderung, Eingreifen in gesellschaftliche Verhältnisse und Sozialismus orientierte und orientierende Partei nicht leisten kann, wenn die Zustände nach politischer Praxis verlangen. Sie muss beweisen, ob die LINKE noch eine linke Partei ist oder nur noch Beutegemeinschaft und Selbstbedienungsladen von Funktionär:innen oder gar Interessensvertretung von gesellschaftlichen Schichten ist, die zu den Gewinner:innen und nicht zu den Opfern der kapitalistischen Realpolitik zählen.

Sahra Wagenknecht hatte sich am Donnerstag im Bundestag an die Regierung gewandt: „Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen.“ Die Reaktionen auf die wichtige Rede Wagenknechts von Teilen ihrer eigenen Partei und vonseiten der Regierungsparteien sind unterirdisch. Widersprechen muss man Wagenknecht in einem Punkt: Die Motivation der Regierung ist vermutlich nicht „Dummheit“, sondern deren Handeln erscheint zielgerichtet.

Auch hatte Sahra Wagenknecht im Bundestag für die Fraktion der Linkspartei im Rahmen der Haushaltsdebatte zum Thema Wirtschaft und Energie gesprochen, wie Medien berichten. Sie eröffnete mit der Feststellung, dass sich in Deutschland „eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe“ anbahne. Millionen Menschen hätten Angst vor der Zukunft, vor explodierenden Lebenshaltungskosten, vor „Horrorabrechnungen“ und „immer mehr auch um ihren Arbeitsplatz“. Die hohen Energiepreise seien das „Ergebnis von Politik“. Wagenknecht kritisierte die „Rückgratlosigkeit“ von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) gegenüber den „Krisenprofiteuren“ und nannte die Bundesregierung „die dümmste Regierung in Europa“.

Das größte Problem sei die „grandiose Idee“, einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“. Wenn die Bundesrepublik ein Industrieland bleiben wolle, brauche sie „leider auf absehbare Zeit auch noch russische Energie“. Wagenknecht forderte ein Ende der Sanktionen und Verhandlungen mit Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen. Den Krieg Russlands in der Ukraine nannte Wagenknecht ausdrücklich „ein Verbrechen“.

Wagenknecht hat in dieser Rede zentrale Punkte thematisiert. Widersprechen muss man ihr aber bei der Aussage von der „dümmsten Regierung“ – meiner Meinung nach erscheint das gegen die Bürger gerichtete Handeln der Regierung zielgerichtet und ist nicht mit „Fehlern“ oder eben „Dummheit“ zu erklären.

Wichtig ist, dass Wagenknecht nicht (wie Teile ihrer Partei) bei ungenügender Detailkritik an den „Entlastungspaketen“ stehenbleibt, sondern mit der Sanktionspolitik die Ursache einer Krise benennt, die zu weiten Teilen durch die Regierungspolitik selber hervorgerufen wurde. Es gibt keine „höhere Gewalt“, die ein Fortschreiben dieser falschen Politik rechtfertigen könnte: Die Gleichung „Gegen die Sanktionen = Gegen die Ukraine“, ist eine ideologische Phrase, die einer näheren Betrachtung nicht standhält. Die Sanktionen haben keinen direkten Einfluss auf den Kriegsverlauf. Sie lindern nicht das schlimme Leid der ukrainischen Zivilisten. Bisher konnten sie auch Russland nicht „ruinieren“ – langfristig ist das nicht auszuschließen, aber wäre es denn wünschenswert?

Dagegen treffen die realen Folgen der Sanktionen die Bürger in Deutschland hart – die antirussische Sanktionspolitik ist damit auch ein Angriff auf die deutschen Bürger. Wer solche „Parteifreunde“ hat, braucht keine Feinde mehr

Fazit: was da die Linkspartei gegenüber ihrem prominentesten Mitglied loslässt, macht selbst einen ehemaligen und langjährigen Wähler wie mich sprachlos … so dumm sind ja nicht einmal die Grünen und ihre treuen Helfershelfer bei den Öffentlich-Rechtlichen, den Faktencheckern und den übrigen Mainstreammedien! Denn egal, was ihre kriegstolle Außenministerin oder ihr unbedarfter Wirtschaftsminister so vom Stapel lassen, sie werden stets mit gefletschten Zähnen verteidigt.

Dabei hat Frau Wagenknecht Recht! Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand, den aber offensichtlich die Mehrheit unserer Volksvertreter in der Garderobe oder gar der US-Botschaft abgegeben hat.

Ich hoffe, Frau Wagenknecht findet irgendwann einmal eine politische Heimat, die ihre Popularität und ihre politischen Fähigkeiten schätzt und davon im Wahlkampf profitiert! Ich würde jedenfalls gern eine Partei wählen, die stolz ist, solche Leute wie Lafontaine, Wagenknecht oder Dağdelen in ihren Reihen zu haben. Die Linkspartei indes ist für Arbeiter und Friedensfreunde wie mich unwählbar geworden. Aber das hat Frau Wagenknecht ja schon in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ auf den Punkt gebracht, wenn sie auch keine (Partei-)Namen nannte. Journalisten und andere politische Gegner einer neuen Partei mit Sahra Wagenknecht laufen sich bereits warm für die Stimmungsmache gegen die vielversprechende gesellschaftliche Stimme. Warten wir ab, wie die neue Partei nach ihrer Gründung in 2024 mit ihrem neuen Program an den Start geht. Nun beginnt für das Bündnis Sahra Wagenknecht die Organisation: „Die Strukturen sind im Entstehen.“

Wie in allen anderen Parteien muss es Landesverbände geben. Wir brauchen niedrigere Energiepreise für Bürger und Wirtschaft. Statt russisches Öl und Gas über Indien und Belgien zu kaufen, sollte es Deutschland wieder direkt aus Russland beziehen. Wir brauchen bessere Renten. Ein Durchschnittsrentner hat in Österreich 600 bis 800 Euro mehr als in Deutschland. Und: „Wir brauchen einen Mindestlohn von 14 Euro, ein Programm zum kommunalen, sozialen Wohnungsbau und die Wiederaufnahme der Ost- und Entspannungspolitik, damit der Ukraine-Krieg nicht auf ganz Europa übergreift.“

Die Gründung der Partei ist für Januar vorgesehen. Sie soll nach Wagenknechts Angaben bei der Europawahl im Juni 2024 antreten. Angestrebt wird auch, bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September ins Rennen zu gehen.

Anregungen und Quellen

Weser Kuriervom 01.11.2023 – Die Notwendigkeit der Partei zeige sich auch daran, „dass oft nur aus Protest AfD gewählt wird.“ Es seien die „Themen des Alltags“, die sich auf „Ängste und Nöte“ der Menschen bezögen – und die die jetzigen Parteien nicht abdeckten. Es gebe aktuell keine Partei, die sich angemessen um die Interessen „der kleinen Leute“ – etwa Rentner und Arbeitnehmer mit geringem Einkommen – kümmere.

Gründungsmanifest des BSW

Web.de – Bündnis Sahra Wagenknecht: Dafür steht die neue Partei

Zeit Online 02.11.2023 – Linksfraktion will über Verbleib Abtrünniger um Wagenknecht abstimmen.

Ist eine Mandatsmitnahme ein „höchst unmoralischer Diebstahl“? NEIN!

Dass der Parteiaustritt der zehn Abgeordneten rund um Sahra Wagenknecht bei der Linkspartei die Emotionen hochkochen lässt, ist verständlich. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen die drei direkt gewählten Linken-Abgeordneten Lötzsch, Pellmann und Gysi gestern von einem „höchst unmoralischen Diebstahl“ der Mandate. Subjektiv mögen die drei dies so sehen. Anders sieht das bei den Journalisten auf der gestrigen Pressekonferenz aus, für die die Frage der Mandatsmit- oder -übernahme ebenfalls das wichtigste Thema war. Das Grundgesetz und das Parteiengesetz sehen dies jedoch diametral anders. Fraktionsaustritte und Fraktionswechsel hat es im Bundestag schon immer gegeben – teils mit historischen Folgen. Der Ruf nach einen Mandatsverzicht ist jedoch neu und zeigt einmal mehr, wie weit diejenigen, die dies fordern, sich bereits innerlich von den demokratischen Vorstellungen des Grundgesetzes verabschiedet haben.

Artikel 38 Grundgesetz

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

In Deutschland werden nicht Parteien, sondern Personen gewählt. Das gilt für die Direktkandidaten, aber genauso für die über die Zweitstimme gewählten Kandidaten, die auf den Landeslisten stehen. Diese Listen werden zwar von den Parteien zusammengestellt und dabei geht es nicht immer demokratisch zu. Am Ende macht der Wähler jedoch sein Kreuz nicht bei einer Partei, sondern bei einer Liste von Kandidaten. Diese Unterscheidung ist wichtig; wäre es anders, wäre dies ein klarer Verstoß gegen Artikel 38 des Grundgesetzes. Richtig ist jedoch, dass die Parteien diese Trennung in der Praxis nicht immer klar kommunizieren und schon gar nicht klar danach handeln und „ihre“ Abgeordnete gerne als Verfügungsmasse betrachten.

Dabei würde ein kurzer Blick auf die Geschichte des Bundestages schon reichen, um diese Vorstellungen geradezurücken. Vor allem in den ersten beiden Bundestagen, die sich 1949 und 1953 konstituiert haben, waren Ein- und Austritte sowie Wechsel innerhalb der Fraktionen eine Normalität. Später verfestigte sich die Einheit von Partei- und Fraktionszugehörigkeit zwar, aber spätestens im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl 1972 wurden derartige Wechsel zu einem brisanten Politikum. Seit 1969 regierte Willy Brandts SPD mit einer relativ knappen Mehrheit zusammen mit der FDP. Im Laufe der Legislaturperiode verließen jedoch jeweils vier Abgeordnete der SPD und der FDP ihre Fraktionen aus Protest gegen die neue Ostpolitik, schlossen sich der CDU/CSU-Fraktion an und brachten so die Mehrheit der regierenden Koalition ins Wanken. Dies führte später nach einem gescheiterten Misstrauensvotum gegen Willy Brandt zu den vorgezogenen Neuwahlen 1972, in denen die SPD ihr historisch bestes Ergebnis erzielte.

Doch obgleich die Fraktionswechsel damals die maximal mögliche Folge des Verlusts der Regierungsmehrheit hatten, kam seinerzeit niemand auf die Idee, die Renegaten aufzufordern, ihr Mandat abzugeben und an einen Nachrücker abzutreten. Warum auch? So schmerzlich die Übertritte für die SPD – und auch die FDP – waren, so klar war es auch, dass diese Abgeordneten keine Verfügungsmasse der Parteien, sondern Abgeordnete sind, die nicht an Weisungen der Partei gebunden sind.

Die Trennung von Mandat und Parteizugehörigkeit geht in den maßgeblichen Gesetzen so weit, dass es jedem Abgeordneten ausdrücklich gestattet ist, aus einer Partei auszutreten und in eine andere Partei einzutreten, ohne deshalb den Anspruch auf sein Mandat zu verlieren. Die Enquetekommission des Bundestages und der wissenschaftliche Dienst des Bundestages haben dies auch genauso festgestellt.

Auch später gab es immer wieder Fraktionsaus- und -übertritte. Bekannt könnte beispielsweise der Wechsel von Vera Lengsfeld im Jahre 1996 von der Grünen-Fraktion zur Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU oder der Fraktionsaustritt des Linken-Abgeordneten Wolfgang Neskovic im Jahre 2012 sein. Gab es damals eine Debatte darüber, dass Lengsfeld oder Neskovic ihr Mandat zurückgeben sollten?

Haben Sie sich eigentlich gestern auch darüber gewundert, dass selbst den „Experten“ der Öffentlich-Rechtlichen nicht immer klar war, wie viele Fraktionsaustritte es benötigt, dass die Linkspartei ihren Fraktionsstatus verliert?

Die richtige Antwort ist: „einer“. Verantwortlich dafür ist der Linken-Abgeordnete Thomas Lutze, der bereits vor zwei Wochen aus der Linkspartei ausgetreten und in die SPD eingetreten ist – Fraktionswechsel inklusive. Das SPD-Parteibuch gab es dafür aus der Hand eines strahlenden Kevin Kühnert.

Haben Gysi und Co. eigentlich auch Lutze des „unmoralischen Diebstahls“ eines Mandats bezichtigt? Die SPD ist zumindest froh und kann sich sehr gut vorstellen, neben Lutze auch andere „vernünftige“ Abgeordnete der Linksfraktion in ihren Reihen willkommen zu heißen – die Abgeordneten rund um Sahra Wagenknecht sind damit wohlweislich nicht gemeint.

Ist das nicht Aufforderung zum „unmoralischen Mandatsdiebstahl“? Aus den Medien, deren Vertreter gestern derartige Vorwürfe in Richtung von Wagenknecht und Co. erhoben, gab es zumindest keine Kritik an der Offerte der SPD. Offenbar sind Mandate nur dann Verfügungsmasse der Partei und ein Fraktionswechsel kritikwürdig, wenn es die „falschen“ Renegaten betrifft. Wenn „vernünftige“ Ex-Linken-Abgeordnete zur „vernünftigen“ SPD wechseln, ist dies anscheinend aber was ganz Anderes.

„Sie sind nur durch uns drei und durch die Partei DIE LINKE in den Bundestag eingezogen“, so tönen Lötzsch, Pellmann und Gysi in Richtung Wagenknecht. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Wie viele Stimmen haben diese drei Abgeordneten eigentlich von Wählern erhalten, die sie nur gewählt haben, weil sie die Linkspartei bei den letzten Wahlen immer noch mit dem programmatischen Kurs des Wagenknecht-Flügels assoziierten?

Das dürfte vor allem beim Direktmandat des Leipziger Abgeordneten Sören Pellmann von Bedeutung sein, hatte er sich doch im Wahlkampf klar als Wagenknecht-Anhänger positioniert und dafür sogar mächtigen Ärger mit den Wagenknecht-Gegnern in seiner Partei bekommen. Nach den Wahlen vollzog er die Wende und reihte sich in den Parteimainstream ein. Wie viele Leipziger haben Pellmann gewählt, weil sie ihn ernsthaft als Vertreter des Wagenknecht-Flügels wahrgenommen haben? Hätte er das Direktmandat gewonnen, wenn er sich schon damals derart scharf von Wagenknecht distanziert hätte? Wohl nicht. Und ohne sein Mandat wäre kein einziger linker Abgeordneter in den Bundestag eingezogen, da die Partei bekanntlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte und nur wegen der drei gewonnenen Direktmandate überhaupt in den Bundestag einzog.

Zugegeben. Auch das ist viel „hätte“ und „würde“ und spekulativ; jedoch nicht weniger spekulativ als so manche Äußerung aus dem Bundesvorstand der Linkspartei, die darauf abzielt, die zehn Abgeordneten rund um Sahra Wagenknecht zur Mandatsabgabe zu drängen. Schwerer als die ungebremste Lust zur Spekulation wiegt jedoch das offen zutage getragene Demokratie(miss)verständnis, das aus diesen Äußerungen herauszulesen ist.

Nimmt man Gysi und Co. und den Parteivorstand beim Wort, so betrachten sie die Mandate ihrer Abgeordneten als Mandate der Partei. Das sieht das Grundgesetz jedoch diametral anders und das ist auch gut so. Die mangelnde Unterscheidung zwischen Mandatsträger und Partei ist schließlich mitverantwortlich für die Vertrauenskrise, in der die parlamentarische Demokratie derzeit steckt. Ob sich Gysi und Co. dieses Zusammenhangs eigentlich bewusst ist?


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