Die Schweinebande

Heute erzähle ich Euch mal was von unseren deutschen Bauern, und ich beginne in den Jahren 1945/46. Damals gab es ja noch keine Bio-Bauern oder Landwirte, die nachhaltig Lebensmittel produzierten und so die Gesundheit der Konsumenten überwachten, und die auch gern ein wenig mehr für den Liter Diesel bezahlen…

Damals zogen tausende Geflüchtete aus Ostpreußen, Pommern oder aus dem Baltikum, die vor der russischen Besatzung in die britische Zone geflohen waren, durch das Land. Dazu kamen zahlreiche Menschen aus den von der Nazi-Armee besetzten Ländern Skandinaviens, die zur Zwangsarbeit „im Reich“ gepresst worden waren und nun auf dem Weg waren Richtung Dänemark. Die Bauern, Nährstand genannt und der deutschen Scholle heimattreu verbunden, auch sturmfest und erdverwachsen, verfolgten diese Völkerwanderung mit Abscheu. Hoffentlich waren diese Städter nicht ansteckend. Unterernährung? Neumodischer Kram. So etwas wollen wir hier nicht. Jahrelang war es den fetten und hochmütigen Bauern prächtig gegangen, weil polnische und russische »Zwangsarbeiter«, im Nazi-Reich schönfärberisch „Fremdarbeiter“ genannt, die Arbeit auf den Höfen erledigt und dafür gesorgt hatten, dass die Speicher voll waren. Und nun diese Invasion von hungrigen und dreckigen Flüchtlingen, die alle um Hilfe baten …

Alle, die mal auf der Flucht waren oder aus der Heimat vertrieben, alle, die in tiefster Not einen Bauern um einen Bissen Brot gebeten haben, mussten lernen:

Meide den deutschen Bauernhof!

Es sei denn, du besitzt eine Schusswaffe oder ein bisschen Familienschmuck. Für deinen Siegelring darfst du möglicherweise sogar den bäuerlichen Abort benutzen. Und bringst du einen wertvollen Teppich oder einen Flügel mit, kannst du darauf hoffen, den Bauernhof mit drei Möhren oder zwei Eiern zu verlassen, ohne dass dich der Hofhund zerfleischt…

Dann aber machte das deutsche Wirtschaftswunder der Bettelei ein Ende. Zum Ausgleich durften die Bauern nun um ihrer Profite Willen die Fettleibigkeit der Bevölkerung billigend in Kauf nehmen, weil sie es nicht besser wussten, obwohl ein großer Teil von ihnen sogar ein Diplom in der Tasche hatte. Die Bauern erwiesen sich in der Folgezeit als arme, hilflose, aber auch liebenswerte Tölpel, die von einer heimtückischen Industrie, von Verbrauchern und den europäischen Behörden über den Tisch gezogen wurden, obwohl Dürre und Überschwemmung immer abwechselnd ihre Ackerflächen ruinierten und alle ihre Gesuche um ein bisschen höhere Subventionen immer wieder brutal abgeschmettert wurden, während sie selbst im Fernsehen notgedrungen nach einer opferbereiten Ehefrau suchen mussten…

Heute gilt der deutsche Bauer als größter Umweltverbrecher im Land nach dem Auto. Übelwollende Veganer behaupten, darüber würden auch keine »Traktoren-Demos hinweg täuschen«, im Gegenteil, man müsse sich fragen: Wieso können Bauern eigentlich nicht zu Fuß demonstrieren, wie andere Leute auch? Und sie verlangen, man solle die ganze Schweinebande kopfüber in ihre Komposthaufen stecken.

Doch das ist zutiefst ungerecht: Die Trecker sind die Panzer der kleinen Leute, und dass die Bauern gemeinsame Sache machen mit den Klimaklebern von der letzten Generation, das ist großartig und beweist: Hier arbeiten Tradition und Moderne Hand in Hand. Und dass etliche Führungskräfte der Grünen tagtäglich im Fernsehen mit ihrem Erscheinungsbild für die Massentierhaltung demonstrieren, zeigt, wie harmonisch die Beziehung von Billigfleischtheke und politischer Verantwortung funktioniert.

Laut einer aktuellen Studie vom 26. Juli 2023 tragen Pestizide maßgeblich zum Klimawandel bei – sie stellen Risiken für die Umwelt, die öffentliche Gesundheit und die Ernährungssicherheit dar –, während ihre Wirksamkeit abnimmt.

Die vom Pesticide Action Network North America (PANNA) entwickelte Studie beschreibt einen Teufelskreis: Pestizide tragen zu Emissionen in die Luft bei, die zum Klimawandel beitragen, und mit steigenden Temperaturen steigt auch die Zahl der Schädlinge und Insekten. Mehr Insekten verleiten Landarbeiter dazu, mehr Pestizide einzusetzen.

Dieses Problem wird noch dadurch verschärft, dass die Treibhausgasemissionen von Pestiziden nur unzureichend untersucht und unterschätzt werden.

Die Umweltauswirkungen von Pestiziden

Die Herstellung eines Kilogramms Pestizide erfordert etwa zehnmal mehr Energie als ein Kilogramm Stickstoffdünger, eine Agrarchemikalie mit bekanntermaßen negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Mittlerweile sind einige Pestizide wie Sulfurylfluorid selbst Treibhausgase – der Ausstoß einer Tonne Sulfurylfluorid entspricht dem Ausstoß von fast 5.000 Tonnen CO2. Forschern zufolge wird das Problem durch Öl- und Gasunternehmen, die von Pestiziden profitieren, noch komplizierter. 99 Prozent der synthetischen Pestizide werden aus Erdöl gewonnen.

Höhere Nachfrage, fragliche Wirksamkeit

Wenn die Temperaturen steigen, werden die Pflanzen aufgrund von Hitzestress, veränderten Niederschlagsmustern und mehr Schädlingen weniger widerstandsfähig. Dies führt zu einer größeren Nachfrage nach synthetischen Chemikalien und Pestiziden. Tatsächlich wird prognostiziert, dass die weltweite Industrie für synthetische Pestizide in den kommenden Jahren erheblich wachsen wird: Schätzungsweise 16,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021, wird erwartet, dass sie bis 2031 auf 27,6 Milliarden US-Dollar anwächst.

Einige Forscher stellen jedoch fest, dass weniger als 0,01 Prozent der Pestizide überhaupt die Schädlinge erreichen, gegen die sie gerichtet sind. Besonders niedrig ist dieser Wert bei Fluginsekten wie Mücken. Bedenken Sie Folgendes: Basierend auf einer Schätzung, dass Zielmücken nur etwa 0,0000001 % des Luftsprays erhalten, müssen 1 Million Insektizid Tröpfchen produziert werden, um nur eine Zielmücke zu treffen. Dadurch gelangen überschüssige Chemikalien in den Boden, ins Wasser, in die Luft und auf andere Pflanzen. Heiße Temperaturen verschlimmern dieses Problem noch, indem sie Pestizide in giftige Gase verwandeln.

Environmental Protection Agency gibt es in den Vereinigten Staaten schätzungsweise 300.000 Pestizidvergiftungen bei Menschen, die auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen sind. Die weltweite Zahl ist mit 26 Millionen Pestizidvergiftungen und 220.000 Todesfällen pro Jahr viel höher.

Laut einer Analyse von Forschern der University of Washington erhöht die Exposition gegenüber Glyphosat, dem Hauptbestandteil von Monsantos RoundUp, die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, um 41 % . Pestizide können auch zu Geburtsfehlern führen, wenn Eltern ihnen vor oder während der Schwangerschaft ausgesetzt sind. Diese Chemikalien können die Chromosomen der Mutter oder des Vaters schädigen und zu Problemen bei der Entwicklung des Fötus führen.

Eine mögliche Lösung: Agrarökologie

Angesichts des Zusammenhangs zwischen Pestiziden und dem Klimawandel sowie der mit dem Einsatz von Pestiziden verbundenen menschlichen Kosten besteht die Notwendigkeit, die Abhängigkeit von Pestiziden zu verringern. Dies gilt insbesondere angesichts ihrer nachlassenden Wirksamkeit.

Die agrarökologische Landwirtschaft bietet eine Lösung, indem sie ökologische Prozesse fördert, die sich an die örtlichen Gegebenheiten anpassen, sowie Praktiken wie den Mischanbau (bei dem zwei oder mehr Nutzpflanzen zusammenwachsen, um die Artenvielfalt zu erhöhen und die Pflanzengesundheit zu fördern). Die Agrarökologie legt auch großen Wert auf die Gesundheit von Landwirten und Landarbeitern. Dem PANNA-Bericht zufolge führt Agrarökologie zu einer besseren öffentlichen Gesundheit, einer verbesserten Ernährungssicherheit und einer größeren Artenvielfalt.

Laut einem der Mitautoren des PANNA-Berichts berücksichtigen „konventionelle Anbaumethoden keine externen Umwelteinflüsse und Gesundheitskosten.“

Der Bericht erkennt an, dass eine Änderung des gesamten Lebensmittelproduktionssystems kostspielig wäre, und empfiehlt den Einsatz von Anreizen wie Subventionen, ähnlich denen, die für den Übergang zu grüner Technologie eingeführt wurden.

Die deutsche Agrarlobby: verfilzt, intransparent und wenig am Gemeinwohl orientiert.

Eine NABU-Studie macht die engen Verflechtungen zwischen Agrarpolitik, Agrarwirtschaft und Bauernverband sichtbar. Denn seit Jahren wird in der Landwirtschaft gegen das Gemeinwohl entschieden. Die Macht der Agrarlobby muss endlich stärker beschränkt werden.

Der NABU hat am 29. April 2019 eine neue Studie vorgelegt, die das Netz der Agrarlobby in Deutschland offenlegt. Ziel der Studie war es, Transparenz in das enge Beziehungsgeflecht zwischen Agrarpolitik, Agrarwirtschaft und Bauernverband zu bringen. Denn seit Jahren werden Entscheidungen gegen das Gemeinwohl getroffen, bei der Düngeverordnung genauso wie bei der Verteilung der milliardenschweren Agrarsubventionen. Daher muss transparent sein, wo in Parlamenten und Wirtschaft Agrarfunktionäre mitreden und welchen Einfluss sie nehmen können.

Um die Entscheidungswege und das Beziehungsgeflecht zwischen den Interessensgruppen besser zu verstehen und vor allem der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde das Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen vom NABU beauftragt, die Verbindungen zwischen Agrarpolitik, Agribusiness und Landwirtschaftsverbänden unter die Lupe zu nehmen. Die Wissenschaftler untersuchten mehr als 150 Personen und Institutionen, insbesondere aus Führungspositionen, Aufsichts- und Kontrollgremien in der Finanzwirtschaft, Agrochemie, Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Verbänden. Sichtbar wurden insgesamt 560 Verbindungen sowie mehrere Netzwerk-Knotenpunkte in Berlin und Brüssel.

Deutscher Bauernverband im Fokus

Besonderes Augenmerk richtet die Studie auf den Deutschen Bauernverband (DBV), der wichtigste und einflussreichste Interessenverband der Landwirtschaft. Denn der Bauernverband selbst hält sich zu Fragen in diese Richtung lieber bedeckt und legt seine Beziehungen zu Agrarpolitik und Agrarwirtschaft nur ungern oder gar nicht offen. Nun ist aber durch die Studie das personelle und institutionelle Netzwerk des Deutschen Bauernverbandes anhand von Grafiken erfasst. Und zwar sowohl auf den relevanten politischen Ebenen in Berlin und Brüssel als auch in den vor- und nachgelagerten wirtschaftlichen Bereichen und Verbänden, etwa der Agrar- und Ernährungs- sowie Finanzwirtschaft.

Es ist bereits die zweite Studie, die der NABU zu dieser Thematik in Auftrag gegeben hat. Schon 2001 stellte die Vorgängerstudie fest: „Nur wenn es gelänge, die Einflüsse von innovationshemmenden Vertretern aus Bauernverbänden und Ernährungswirtschaft zurückzudrängen, hätte die Agrarwende eine Chance“. Der Vergleich zeigt: Dies ist nicht gelungen. Seit der Jahrtausendwende hat der DBV seine Vernetzungsstrukturen ausgebaut, neue Hotspots zur Abstimmung innerhalb der Branche sind entstanden, die Handlungsmöglichkeiten der industriellen Landwirtschaft wurden insgesamt gestärkt.

Die Ergebnisse der Studie

Das untersuchte Netzwerk deckt mit seinen vielfältigen personellen und institutionellen Verflechtungen alle wesentlichen Bereiche der Agrarpolitik und des Agribusiness ab. Es kann auf etablierten Vernetzungen und Strukturen aufbauen und ist in seiner Komplexität kaum durchdringbar. Insgesamt betrachtet gibt es im Agribusiness und in der Agrarpolitik eine vergleichsweise kleine Gruppe an Akteuren, die die wesentlichen und strategischen Schlüsselpositionen unter sich aufteilen. Die Multi- oder Vielfachfunktionäre stammen dabei in erster Linie aus den Spitzen des Deutschen Bauernverbandes und seiner Landesverbände.

Die vielen Posten vereint in wenigen Personen müssen zwangsläufig zu Interessenskonflikten führen. Denn dass sich die unternehmerischen Zielsetzungen der Agrar- und Ernährungswirtschaft von den Interessen der Landwirtinnen und Landwirte oftmals unterscheiden, liegt auf der Hand. Kaum vorstellbar, diese unterschiedlichen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Hingegen kann man sich sehr gut vorstellen, wer diesen Kampf am Ende gewinnt.

Oberster Strippenzieher: DBV-Präsident Joachim Rukwied

Der DBV-Präsident Joachim Rukwied besetzt mindestens 18 wichtige Positionen vor allem in der Agrar- und Finanzwirtschaft und zahlreichen Verbänden, darunter in den Aufsichtsräten der BayWa AG, Südzucker AG sowie der R+V Allgemeine Versicherung AG. Zugleich ist er Chef des „europäischen Bauernverbandes“ COPA-COCEGA, die stärkste repräsentative Interessensvertretung der europäischen Landwirtschaft. Durch diesen Posten hat Rukwied auch Zugang zu den Sitzungen der Agrarminister in Brüssel. Außerdem ist er Präsident des Baden-Württembergischen Bauernverbandes und ganz nebenbei auch noch aktiver Landwirt.

Einflussnahme naheliegend: Landwirtschaftspolitik und Verbände sind eng miteinander verflochten.

Ein weiterer zentraler Funktionär ist Johannes Röring, der Vorsitzende des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes. Er ist Mitglied im Deutschen Bundestag, ebenfalls aktiver Landwirt und besetzt 14 zusätzliche Posten. Er ist zudem aktiv beteiligt an der Ausgestaltung der Düngeverordnung – und zugleich Vorsitzender im DBV-Fachausschuss für Schweinefleisch. Sein Wahlkreis sowie der familiäre Schweinemastbetrieb liegen in der Tierhaltungs-Hochburg Borken. Auch Franz-Josef Holzenkamp, seit 2017 Vorsitzender des Deutschen Raiffeisenverbands, war bis 2017 Mitglied im Deutschen Bundestag. Darüber hinaus hat er acht Posten unter anderem im Versicherungswesen und in der Ernährungswirtschaft inne. Und zu guter Letzt Albert Deß. Er ist Mitglied im Europäischen Parlament und dort auch Mitglied im mächtigen Agrarausschuss. Des Weiteren hat er Verbindungen zur Agrar- und Ernährungswirtschaft.

Der Deutsche Bauernverband ist insgesamt sehr eng verknüpft mit der Ernährungswirtschaft (Südzucker), mit anderen Verbänden und der Finanz- und Versicherungsbranche. Die Verbindungen in die Politik und die Agrarausschüsse des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments gelingen durch die starken Beziehungen zur CDU/CSU und der Europäischen Volkspartei (EVP). Von den Mitgliedern im Agrarausschuss des Bundestages der CDU/CSU-Fraktion weisen 85 Prozent einen direkten Bezug zur Land- und Agrarwirtschaft auf. Über die Hälfte der Ausschussmitglieder hat zudem auf mindestens einer Organisationsebene des Bauernverbandes ein Amt übernommen.

Zur Agrochemie sind die Verbindungen nicht so offensichtlich und eher indirekter Natur. Es gibt jedoch drei wichtige Knotenpunkte: die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft e. V. (DLG), das Forum Moderne Landwirtschaft e. V. (FML) und die Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie e. V. (VLI). Besonders die letzten beiden tragen wesentlich zur Verknüpfung von Landwirtschaft und Industrie bei. Nach eigenen Angaben führen sie „Entscheider im Agribusiness“ zusammen. Sie decken praktisch das gesamte Akteurs Spektrum im Agribusiness ab und eröffnen Verbindungslinien zur einflussreichen Agrochemie.

Fazit

Die Verflechtungen des Bauernverbandes mit Politik und Wirtschaft sind so eng, dass Umwelt und Natur, Tierwohl, Gewässer- und Klimaschutz bei politischen Entscheidungen häufig auf der Strecke bleiben. Das muss sich ändern. Zudem vertritt der Deutsche Bauernverband mit seinem exportorientierten, auf immer mehr Wachstum ausgelegten Kurs nicht die Interessen der meisten deutschen Landwirtinnen und Landwirte, die sich deutlich mehr Förderung für Tierwohl und Umweltschutz wünschen.

Das fordert der NABU:

  • Der Einfluss der Agrarlobby auf Gesetzgebungsprozesse muss stärker beschränkt werden. Das bedeutet: Nicht nur allein die Agrarausschüsse und -ressorts dürfen über die Gestaltung der Agrarsubventionen bestimmen. Diese weitreichenden Entscheidungen müssen in Hände gelegt werden, die sich dem Gemeinwohl mehr verpflichtet fühlen. Somit gehören auch die Ressorts für Regionalentwicklung, Verbraucherschutz, Wettbewerb und Umwelt an den Verhandlungstisch zur EU-Agrarpolitik.
  • Die europäische Agrarpolitik braucht eine grundlegende Umgestaltung. Die Agrarförderung muss dem Gemeinwohl dienen und nicht den Interessen weniger Großbetriebe sowie jenen, die an der hoch-intensiven Landwirtschaft mitverdienen. Der DBV muss aufhören, die zukunftsfähige Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) weiterhin pauschal abzulehnen. Wir müssen weg von pauschalen Flächenprämien und hin zu mehr Naturschutz.
  • Die Düngeverordnung muss in einer Weise novelliert werden, dass ein effektiver Grundwasserschutz gewährleistet ist und nicht die Interessen einzelner Tierhalter in den Fokus rücken. Denn sonst wird die Mehrheit der Landwirte wieder in Sippenhaft genommen, die aber gar nicht schuld ist an den überschrittenen Messwerten.
  • Politische Entscheidungsfindung muss transparent stattfinden. Ein Lobbyregister könnte diesen Prozess unterstützen. Die Einführung eines solchen Registers scheiterte bisher jedoch am Widerstand der CDU/CSU-Fraktion.

»Der Mensch ist nur so lange etwas wert, wie man seine Arbeitskraft wie eine Zitrone ausquetschen kann.«

Anmerkung: In Deutschland haben von 1991 bis 2022 über 900 Tsd. Bäuerlein ihren Hof aufgegeben (Statistik im Handelsblatt und Wirtschaftswoche).  Es gibt eine KrasseTeilung der Anzahl der Betriebe in der Landwirtschaft nach genutzter Fläche. In Deutschland habe ich eine durchschnittliche Betriebsgröße von 200 Hektar (ha); in Bayern gibt es noch viele Klein- und Mittelbauern mit noch 67 ha Durchschnittsgröße. Das sind keine Ausbeuter, sondern diese Leute müssten im Bündnis mit der Arbeiterklasse sein. Zu einem Bündnis mit denjenigen, der GDL zum Beispiel, die für Morgen den 09. Januar 2024 auch einen Streik angekündigt haben. Für das Bündnis der Arbeiter mit der kleinen und mittleren Bauernschaft, für eine Erhöhung der Erzeugerpreise, für eine Senkung der Verbraucherpreise, für ein Kampfbündnis von protestierenden Arbeitern und protestierenden Bauern, sowie gegen jede Rechtstendenz, für eine linke Orientierung innerhalb der Bauernschaft.

Und wogegen demonstrieren sie wirklich?

Die Heftigkeit, mit der die Proteste ausgefochten werden, erklärt sich jedoch nicht allein aus den vergleichsweise kleinen Kürzungsvorhaben der Ampel. Die Ursache liegt tiefer und reicht deutlich weiter zurück als in die laufende Legislaturperiode. Die AbL schreibt: „Es fehlt seit vielen Jahren an einer mutigen Agrarpolitik, die langfristige Perspektiven und verlässliche Rahmenbedingungen schafft. Stattdessen denken die politisch Verantwortlichen viel zu häufig in vermeintlich kurzfristigen Erfolgen und Klientelpolitik“. Damit trifft sie den Nagel genau auf den Kopf: Das Höfe sterben, das die deutsche Landwirtschaft seit den 1960er Jahren plagt, hat ein ganzes Bündel von Ursachen:

Es ist die Folge einer immer mehr auf Profitmaximierung angelegten Agrarpolitik, von immer weiterer Intensivierung, von enormem Kostendruck, einer schlechten Verhandlungsposition gegenüber den großen Handelsketten. Dazu kommt der politische Unwille, sich von einfachen, flächengebundenen Direktzahlungen (so genannten Gießkannensubventionen) zu verabschieden und stattdessen die Förderung von Betrieben zu priorisieren, die sich besonders um Umwelt-, Klima- und Tierschutz bemühen. Landwirt*innen, die wichtige Leistungen für Natur- oder Umweltschutz erbringen, werden als Folge dafür nicht ausreichend vergütet. Statt ihnen erhalten diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe am meisten staatliche Förderung, die die größten Flächen haben.

All das hat zu einer verhängnisvollen Logik des „Wachse-oder-weiche“ geführt. Die Folge: Die Kleinen geben auf, die Großen wachsen weiter. Die vielen Plakate, die auf das Höfe sterben Bezug nehmen („Stirbt der Bauer, stirbt das Land“), sind ein Ausdruck dieser Unzufriedenheit.

Das Fest der Heuchler*innen

Dass sich jetzt allerdings der Deutsche Bauernverband in die vorderste Reihe der Proteste stellt, ist bei näherer Betrachtung blanke Heuchelei: Der hochgradig mit der Agrarindustrie verflochtene Bauernverband war mit seiner exportorientierten, auf immer mehr Wachstum ausgelegten Politik einer der Haupttreiber der Wachse-oder-weiche-Politik. Gießkannensubventionen, Intensivierung der Landwirtschaft und die Blockade jeder ernst gemeinten Agrarreform: Die verfehlte Agrarpolitik in Deutschland geht zu einem guten Teil auf sein Konto.

Und auch die Union versucht jetzt, politisches Kapital aus den Protesten zu schlagen und im Zuge der Bauernproteste gegen die Ampel zu hetzen. Und das, obwohl sie in den 75 Jahren seit Gründung der Bundesrepublik 51 (!) Jahre lang und von 2005 bis 2021 ununterbrochen das Landwirtschaftsministerium innehatte. Wenn eine Partei in Deutschland für den Zustand der Landwirtschaft verantwortlich gemacht werden kann, dann ist es die Union – und innerhalb dieser speziell die CSU, die geschlagene 31 Jahre lang das Ministerium besetzte. Dass Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied nun Seite an Seite mit der CSU die Ampel für ein angeblich von ihr verursachtes Höfe sterben kritisiert, wirkt da wie ein Fest der Heuchler*innen.

Das Anti-Ampel-Gewitter als Steilvorlage für Populist*innen und Rechtsextreme.

Dass sich die Unzufriedenheit der Bäuerinnen und Bauern über die verfehlte Landwirtschaftspolitik nun in einem von Opposition und Springer-Medien angefeuertem Anti-Ampel-Gewitter entlädt, macht die Proteste für alle attraktiv, die mit der Regierungspolitik unzufrieden sind – besonders, wenn auch sie sich beispielsweise durch Klimaschutzmaßnahmen wirtschaftlich belastet, in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt oder durch die Politik nicht wertgeschätzt fühlen. Entsprechend finden sich auf den Demos auch viele Handwerker*innen oder Berufskraftfahrer*innen. Sie verleihen ihrer Meinung zur Politik der Ampel, speziell der Grünen, Ausdruck – und Proteste gegen die Regierungspolitik sind in einer Demokratie natürlich absolut legitim.

Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass dem Bauernverband die derzeit laufende „Protestwoche“ zunehmend entgleitet: Von Anfang an hatten rechtsextreme Parteien wie die AfD (die laut Wahlprogramm ja eigentlich alle landwirtschaftlichen Subventionen abbauen möchte), „die Heimat“ oder der „Dritte Weg“ versucht, die Proteste zu vereinnahmen – ebenso wie nicht parteilich organisierte Gruppierungen aus der extremen Rechten, die eine Klientel teilweise auch direkt in der Bauernschaft haben. Inzwischen finden sich auf den Demonstrationen häufig extrem rechte oder gewaltverherrlichende Symboliken: Plakate und Transparente, die die Ampelpolitiker*innen als „Volksverräter“ bezeichnen und teilweise offen zur Gewalt aufrufen, Fahnen der antisemitischen und völkischen „Landvolk-Bewegung“, Reichskriegsflaggen oder die häufig vorkommenden Galgen, an denen Ampeln oder Strohpuppen in den Farben der Ampelparteien hängen. All das ist, genau wie die Nötigung von Robert Habeck auf der Rückkehr von einer Urlaubsreise, Gift für das friedliche Miteinander in einer Demokratie. Natürlich treffen die oben genannten Tendenzen nur auf einen kleinen Teil der Protestierenden zu, und der Bauernverband und auch andere Organisatoren des Protests mahnen beständig, gewaltverherrlichende oder anderweitig skandalisierbare Plakate oder Fahnen zuhause zu lassen. Aber eine saubere Abgrenzung nach rechts ist auf den Demonstrationen leider nicht erkennbar.

Besonders schädlich sind zudem populistische Figuren wie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der versucht, politisches Kapital aus der Lage zu schlagen und einen Keil zwischen die „hart arbeitende Landbevölkerung“ und die angeblichen „party people“ in den Städten zu treiben. Damit gießt er Öl in ein Feuer, das zu einer echten Gefahr für unsere Demokratie werden kann.

Was muss passieren, damit kein Flächenbrand entsteht?

Zunächst müssen die Behörden klipp und klar machen, dass Hass keinen Platz auf den Demonstrationen hat und konsequent gegen diesen einschreiten. Vor allem aber ist der Deutsche Bauernverband gemeinsam mit allen anderen Organisatoren in der Pflicht, rechte Umtriebe konsequent zu ächten und von den Protesten auszuschließen.

Aber auch die Ampel muss ihre Prioritäten überdenken: Zwar war die Streichung der Agrardieselförderung im Kern richtig, da staatliche Subventionen für fossile Energieträger in Zeiten der Klimakrise natürlich abgeschafft werden müssen. Trotzdem steht fest: Andere, weniger notwendige Subventionen hätten zuerst abgebaut werden können und müssen.

Und das Wichtigste: Die Regierung muss sich endlich ernsthaft der Krise der deutschen Landwirtschaft annehmen und die zugrundeliegenden Probleme angehen! Dafür muss sie auch nicht bei Null anfangen, sondern kann auf die Arbeit der sogenannten Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zurückgreifen, der bereits seit 2021 in der Schublade liegt und darauf wartet, endlich in konkrete Politik übersetzt zu werden. In der ZKL haben Bauern- und Umweltverbände gemeinsam Vorschläge erarbeitet, wie der dringend notwendige Umbau der Landwirtschaft in Richtung mehr Nachhaltigkeit so gelingen kann, dass er den Landwirt:innen auch sinnvolle wirtschaftliche Perspektiven bietet. Außerdem kann sich die Bundesregierung am agrarpolitischen 6-Punkte-Plan der ABL orientieren. In diesem zeigt der Verband kurzfristige Maßnahmen auf, die sowohl kostenneutral oder entlastend für den Bundeshaushalt sind als auch die Ökologisierung der Landwirtschaft vorantreiben und gleichzeitig zur wirtschaftlichen Sicherung vieler landwirtschaftlicher Betriebe beitragen.

Anmerkungen und Quellen

Waterskraus paul – https://waterskraus.com/pesticides-linked-to-climate-change-despite-declining-efficacy/

https://waterskraus.com/category/monsanto-roundup/

NABU-Studie legt Lobbynetz des Deutschen Bauernverbands offen

https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/26321.html?fbclid=IwAR1BytSzJdxmWR_-icMlsvSKitqmde_98SyMKsxe4mZHrdc1LBNy4iLhfAY

Link zur NaBu –Studie: https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/landwirtschaft/agrarreform/190429-studie-agrarlobby-iaw.pdf


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