Interview mit dem radikalen Pazifisten Ole Nymoen: „Eine Stunde später tot“
„Ich finde es ein bisschen eigenartig, dass man in der deutschen Öffentlichkeit auf den Ukraine-Krieg relativ begeistert blickt. Nicht in dem Sinne, dass sich jemand gefreut hat, dass der Krieg ausgebrochen ist. Aber man hat da an der Seitenlinie gestanden und den Ukrainern zugejubelt wie bei einem Fußballspiel. Das fand ich irgendwie geschmacklos. Dort kämpfen Menschen, die das nicht wollen, die von ihrem jeweiligen Staat dazu gezwungen werden.“
Warum würden Sie nicht für Ihr Land kämpfen?
Erstmal aus grundsätzlichem Eigeninteresse. Man will nicht sterben, nicht schwer verletzt werden. Ich kenne einen Herrn, der ist über 80. Er hat bis heute Schlafstörungen wegen des Zweiten Weltkriegs. Was an der Front mit einem passiert, mag ich mir gar nicht vorstellen. Außerdem möchte ich keine anderen Leute töten.
Wir schießen dann aufeinander im Ernstfall, nur weil wir verschiedenen Staaten untergeordnet sind, die wir uns nicht ausgesucht haben. Ich identifiziere mich nicht sonderlich mit diesem Staat, und dann bin ich dazu gezwungen, für ihn zu schießen. Auf Menschen, von denen mich wahrscheinlich weniger trennt als von den Leuten, die mir befehlen, das zu tun.
Wieso identifizieren Sie sich nicht mit diesem Staat?
Die Leute denken den Staat als Möglichkeit für ein gelingendes Leben. Dazu möchte ich darauf verweisen, wie diese Kriegstüchtigkeits-Debatte oder Aufrüstungsdebatte geführt wird. Da sieht man: Der Staat nimmt Schulden auf, von denen man jahrelang vorher gesagt hat, es sei völlig unmöglich. Für zivile Zwecke, wie zum Beispiel für die Pflege oder die Schulen, konnte man unmöglich Schulden machen.
Auf einmal geht das wie von Zauberhand. Selbst Friedrich Merz will die Schuldenbremse quasi abschaffen – für Rüstungsausgaben. Da sieht man mal, wie verlogen das ist. Man reißt noch ein Haushaltsloch, indem man den Reichen Steuererleichterungen gibt, und was macht man noch? Man verschärft noch mal die Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger.
An diesen Schritten kann man wunderbar sehen, dass dieser Staat ganz sicher nicht eine Staatsraison hat, die lautet: ‚Wir wollen normalen Bürgern ein möglichst nettes Leben machen.‘ Im Umkehrschluss kann man sich als Bürger mal fragen: ‚Warum soll ich bereit sein, dafür zu kämpfen?
Sie leben aber hier und das mit vielen Freiheiten. Wir sind Teil der Europäischen Union und leben verhältnismäßig gut in diesem Land. Wäre es nicht auch im Interesse der Bürger, dieses Land zu verteidigen?
Mir ist der Staat das nicht wert. Und das sagen 60 Prozent der Leute. Der Staat sagt letztlich: ‚Für die Erhaltung meiner Souveränität bin ich bereit, über die Leichen der jungen Männer zu gehen, die ich in den Krieg schicke.‘ Und warum man dann umgekehrt als Bürger nicht auch sagen darf: ‚Ach, mir ist der Staat mein Leben nicht wert,‘ weiß ich nicht.
Je nach Umfrage ist eine deutliche Mehrheit für die Wiedereinführung einer Wehrpflicht. Sie sehen das nicht als evident. Warum?
Für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist in der Tat die Mehrheit. Wenn die Frage aber gestellt wird, ob man selbst mit der Waffe in der Hand in den Krieg ziehen würde, dann ist auf einmal eine Mehrheit dagegen. Es sagen 60 Prozent: Nein, würde ich nicht. Wir wissen Bescheid über die Demografie in Deutschland. Ich finde es trotzdem bemerkenswert.
Da entscheiden Leute über das Leben ihrer Enkel. Sie sind anscheinend auf der einen Seite dafür, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt wird, und auf der anderen Seite wollen sie nicht selbst zur Waffe greifen. Das finde ich schon hochgradig verlogen.
Ist es nicht so, dass wir es uns hier leisten können, Pazifisten zu sein, weil in der Ukraine Menschen kämpfen? Sie halten Putin draußen, und wir sind gegen die Kriegstauglichkeit. Ist das nicht feige?
„Auch die Leute dort tun das nicht allesamt freiwillig. Dort werden die jungen Männer einfach an die Front gezwungen. In der Ukraine gibt es viele Leute, die sagen, wenn sie die Wahl hätten, würden sie lieber eine Fremdherrschaft von Putin akzeptieren, als zu sterben. Auch wenn eine solche Fremdherrschaft sicherlich deutlich schlechter ist als die jetzige. Daher würde ich nicht sagen, dass es feige ist, wenn man das nicht möchte.“
Sollte man der Ukraine also zur Kapitulation raten, wenn die Menschen, die dort kämpfen, das eigentlich nicht wollen?
„Ich kann es dem Staat nicht raten, weil der ja nicht auf mich hört. Aber ich kann den Bürgern nur raten, sich dafür nicht herzugeben, sondern zu gucken, dass man seine Haut rettet. So wie das viele Menschen gerade versuchen. Sie verschanzen sich zu Hunderttausenden in den Wohnungen, weil sie wissen, dass sie auf offener Straße einfach weggezerrt, an die Front gekarrt werden und eine Stunde später tot sind.“
„Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ – auch nicht gegen Putin
Was machen wir, wenn Putin hier an der Ostgrenze steht und sagt, dass er Teile von Deutschland jetzt auch will?
„Ich weiß nicht, was der Staat dann macht. Ich würde versuchen, mit meinen Liebsten zu fliehen, und wenn mir der Staat das nicht erlaubt, was ja sehr wahrscheinlich ist, dann werde ich gucken, dass ich in einem zivilen Bereich unterkomme und dass ich nicht selbst an der Front Menschen töten muss. Auch wenn der zivile Bereich natürlich hochgradig gefährlich ist, aber ich würde in keinem Fall selbst zur Waffe greifen.“
„Außerdem: Die ganze Zeit gehen die Leute nur davon aus, dass die Wehrpflicht nur der Verteidigung dient. Dass das alles nur Defensivwaffen sind, halte ich für hochgradig naiv.“
Also Ihre Befürchtung ist, dass wir kriegstüchtig werden – nicht nur, um Putin draußen zu halten, sondern um selbst aktiv anzugreifen?
„Friedrich Merz hat vor drei Jahren im Bundestag gesagt, kurz nach dem Überfall Putins auf die Ukraine, dass Deutschland bereit sein muss, seine Interessen in der Welt durchzusetzen. Dazu gehöre unter anderem, aber nicht nur, die Sicherung der eigenen Grenzen. Und dieses ‚unter anderem, aber nicht nur‘ deutet für mich schon darauf hin, dass man durchaus bereit ist, darüber hinaus zu denken.“
Dazu der Songtext von Reinhard Mey – nein meine Söhne gebe ich nicht!
- Ein Wahlplakat zerrissen auf dem nassen Rasen
- Sie grinsen mich an, die alten aufgeweichten Phrasen
- Die Gesichter von auf jugendlich gemachten Greisen
- Die dir das Mittelalter als den Fortschritt anpreisen
- Und ich denk′ mir, jeder Schritt zu dem verheiß’nen Glück
- Ist ein Schritt nach ewig gestern, ein Schritt zurück
- Wie sie das Volk zu Besonnenheit und Opfern ermahnen
- Sie nennen es das Volk aber sie meinen Untertanen
- All das Leimen, all das Schleimen ist nicht länger zu ertragen
- Wenn du erst lernst zu übersetzen, was sie wirklich sagen
- Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
- „Halt′ du sie dumm, ich halt‘ sie arm!“
- Sei wachsam
- Präg‘ dir die Worte ein!
- Sei wachsam
- Und fall nicht auf sie rein!
- Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt
- Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
- Sei wachsam
- Merk dir die Gesichter gut!
- Sei wachsam
- Bewahre dir deinen Mut
- Sei wachsam
- Und sei auf der Hut!
- Du machst das Fernsehen an,
- sie jammern nach guten, alten Werten.
- Ihre guten, alten Werte sind fast immer die verkehrten
- Und die, die da so vorlaut in der Talk-Runde strampeln
- Sind es, die auf allen Werten mit Füßen rumtrampeln.
- Der Medienmogul und der Zeitungszar
- Die schlimmsten Böcke als Gärtner, na wunderbar!
- Sie rufen nach dem Kruzifix, nach Brauchtum und nach guten Sitten
- Doch ihre Botschaften sind nichts als Arsch und Titten
- Verrohung, Verdummung, Gewalt sind die Gebote
- Ihre Götter sind Auflage und Einschaltquote
- Sie biegen die Wahrheit und verdrehen das Recht
- So viel gute alte Werte, echt, da wird mir echt schlecht!
- Sei wachsam
- Präg′ dir die Worte ein!
- Sei wachsam
- Und fall nicht auf sie rein!
- Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt
- Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
- Sei wachsam
- Merk dir die Gesichter gut!
- Sei wachsam
- Bewahre dir deinen Mut
- Sei wachsam
- Und sei auf der Hut!
- Es ist ′ne riesen Konjunktur für Rattenfänger
- Für Trittbrettfahrer und Schmiergeldempfänger
- ‚Ne Zeit für Selbstbediener und Geschäftemacher
- Scheinheiligkeit, Geheuchel und Postengeschacher
- Und sie sind alle hochgeachtet und sehr anerkannt
- Und nach den Schlimmsten werden Plätze und Flugplätze benannt
- Man packt den Hühnerdieb, den Waffenschieber lässt man laufen
- Kein Pfeifchen Gras, aber ′ne ganze Giftgasfabrik kannst du kaufen
- Auch‘ die Luft, Verstrahl das Land, mach ungestraft den größten Schaden
- Nur lass Dich nicht erwischen bei Sitzblockaden!
- Man packt den Grünfried, doch das Umweltschwein genießt Vertrau′n
- Und die Polizei muss immer auf die Falschen draufhau’n.
- Sei wachsam
- Präg′ dir die Worte ein!
- Sei wachsam
- Und fall nicht auf sie rein!
- Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt
- Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
- Sei wachsam
- Merk dir die Gesichter gut!
- Sei wachsam
- Bewahre dir deinen Mut
- Sei wachsam
- Und sei auf der Hut!
- Wir hab’n ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantier’n
- Was hilft’s, wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren
- Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln
- Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln?
- Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich
- Abteilung kehrt, im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich!
- „Nie wieder soll von diesem Land ein Krieg ausgehen!“
- „Wir müssen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!“
- „Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!“
- „Kampfeinsaätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen“
- Sie ziehen uns immer tiefer rein, Stück für Stück
- Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück
- Sei wachsam
- Präg′ dir die Worte ein!
- Sei wachsam
- Und fall nicht auf sie rein!
- Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt
- Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
- Sei wachsam
- Merk dir die Gesichter gut!
- Sei wachsam
- Bewahre dir deinen Mut
- Sei wachsam
- Und sei auf der Hut!
- Ich hab Sehnsucht nach Leuten, die mich nicht betrügen
- Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen
- Und verschon‘ mich mit den falschen Ehrlichen
- Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!
- Ich hab′ Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit
- Nach ’nem bisschen Rückgrat in dieser verkrümmten Zeit
- Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu Lachen
- Sie wär’n dich ruinier’n, exekutier′n und mundtot machen
- Erpressen, bestechen, versuchen dich zu kaufen
- Wenn du die Wahrheit sagst, lass draußen den Motor laufen
- Dann sag‘ sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt:
- Wer die Wahrheit sagt braucht ein verdammt schnelles Pferd!
- Sei wachsam
- Präg‘ dir die Worte ein!
- Sei wachsam
- Und fall nicht auf sie rein!
- Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt
- Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
- Sei wachsam
- Merk dir die Gesichter gut!
- Sei wachsam
- Bewahre dir deinen Mut
- Sei wachsam
- Und sei auf der Hut!
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