Kriegsbesoffen

Sollte irgendjemand noch die Hoffnung gehegt haben, Deutschlands herrschende Klasse könne in den aktuell heftig eskalierenden globalen Konflikten ein wenig bremsen: Verteidigungsminister Boris Pistorius hat dieser Hoffnung am Sonntagabend eine klare Absage erteilt. Verteidigungsminister Boris Pistorius versucht die deutsche Bevölkerung auf einen möglichen Krieg einzuschwören und fordert, die Bundesrepublik müsse „kriegstüchtig werden“.

„Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte“,

äußerte Pistorius am Sonntagabend. Seine Forderung hat er am gestrigen Dienstag bekräftigt. Bereits am Freitag hatte er in einer Rede an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr vor rund 300 Offizieren erklärt, die 100 Milliarden Euro Sonderschulden („Sondervermögen“), die Kanzler Olaf Scholz unmittelbar nach Beginn des Ukraine-Kriegs zur Aufrüstung der Bundeswehr bereitgestellt hatte, reichten allenfalls bis 2027 oder 2028 aus. Vizekanzler Robert Habeck spricht sich bereits heute ausdrücklich für ein zweites Schuldenprogramm zur Finanzierung der weiteren Waffenbeschaffung aus. Weil Deutschland militärisch auf Bündnisse angewiesen sei, erklärt Pistorius Kritik an NATO und EU zur Gefährdung der „Sicherheit Deutschlands“; er engt damit die Bandbreite öffentlich akzeptierter Meinungen weiter ein. Darüber hinaus dringt er auf einen „Mentalitätswechsel“ in der Bevölkerung hin zu größerer „Wehrhaftigkeit“. Wie kriegsbesoffen ist Pistorius eigentlich? »Wir müssen kriegstüchtig werden«, forderte der Sozialdemokrat, »wir müssen wehrhaft sein.« Und das auf allen Ebenen. Er nutzt abermals den Krieg der Hamas gegen Israel um uns kriegstüchtig zu machen.

„Dann gibt es nur eins! Sagt Nein!“

Wer etwas Geschichtsbewusstsein hat, der weiß dass die SPD schon lange keine linke Partei mehr ist. Auch das ewige Beschwören einer einheitlichen linken Bewegung bei dieser Partei, nutzt nichts mehr. Sie ist eine Kapitalpartei wie die CDU, Grüne und FDP. Sie hat bereits 1914 ihre Haltung gegen die Kriege der Herrschenden aufgegeben, den Kriegskrediten für den 1. Weltkrieg zugestimmt und die Arbeiter*innen in Europa verraten, gegen die Stimme von Karl Liebknecht. Die SPD hat die Zerschlagung der Novemberrevolution 1918 betrieben und Friedrich Ebert war an der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht beteiligt. Die SPD hat spätestens nach dem Bad Godesberger Programm nach dem 2. Weltkrieg ihren Frieden mit Kapitalismus, und damit mit der Ausbeutung von Menschen und Zerstörung der Natur gemacht. Mit der SPD/Grünen-Regierung Schröder/ Fischer wurde in der BRD die Zerschlagung des Sozialstaates eingeleitet.

Ein Horror dass mittlerweile Politiker öffentlich in einem „öffentlich-rechtlichen Sender“ so etwas unwidersprochen(!) zum Besten geben können. Kriegsvorbereitung ist angesagt, Landesverteidigung war gestern. Ich kann nur hoffen das Mentalitätswechsel in der Bevölkerung so ausfällt, dass diese kriegsvorbereitende Politik endlich abgewählt wird! In allen Sozialetats soll gestrichen werden, zugunsten einer nie dagewesenen Aufrüstung. Unfassbar!! Leute, geht auf die Straße. Protestiert. Seid laut! Geht endlich auf die Straße und protestiert!

„Dann gibt es nur eins! Sagt Nein!“

Wer vielleicht noch dachte, dass große Medien hier gemäß ihrer Kontrollfunktion zugunsten der Bürger in angemessener Weise und deutlich wahrnehmbar gegen eine gesellschaftlich-politische Fehlentwicklung einschreiten würden, der hat sich (erwartungsgemäß) getäuscht. Manche aktuell in großen Medien wahrnehmbare Beiträge von Journalisten, Politikern und „Experten“ stützen sogar noch den Alarmismus des Verteidigungsministers. Hier folgt eine kleine, aber beispielhafte Auswahl an Stimmen im von den Bürgern bezahlten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

So sagte etwa Christian Mölling, Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, laut Tagesschau:

    „Es braucht eben nicht nur Streitkräfte, sondern es braucht tatsächlich auch eine funktionsfähige Rüstungsindustrie. Und es braucht vor allen Dingen das Verständnis der Bevölkerung, einen möglichen Krieg tatsächlich mitzutragen. (…) Es braucht eine große Anstrengung, eine sicherheitspolitische Dekade, in der man versucht, nicht nur die Bundeswehr, sondern die Bundesrepublik insgesamt kriegstauglich zu machen.“

Im ZDF erklärt die Kommentatorin Ines Trams, die Aussage von Pistorius sei „überfällig“. Denn: Derzeit seien „wir“ weder was das Gerät betreffe noch „mental bereit“ für einen möglichen Krieg mit deutscher Teilnahme. „Wie bislang“ scheue die Politik, „militärische Macht mitzudenken und Wehrhaftigkeit zu demonstrieren“. Zur Unterstützung hat auch das ZDF seine „Expertin“, nämlich die Politologin und ehemalige Strategin bei der NATO, Stefanie Babst. Babst beklagt, dass sich die Bundesregierung auch heute noch schwer tue, „den militärischen Werkzeugkasten in den Mittelpunkt unserer politischen Kommunikation zu stellen, um unseren Gegnern zu zeigen, wir verteidigen uns mit allen Mitteln“.

Es geht ums Geld: Weg von „liebgewonnenen Ausgaben“, hin „zur Verteidigung.“

Die „Streitkräfte kriegsfähig zu machen“, wäre „vorausschauend“, so Ines Trams weiter. Doch das würde „schmerzhafte Verschiebungen“ im Haushalt bedeuten – weg von „liebgewonnenen Ausgaben, hin zur Verteidigung“. Es sei „offen“, ob die Politik bereit sein würde, „diese wenig populären Schritte zu gehen“.

Das ist mutmaßlich ein Ziel ihres Kommentars und vieler weiterer Beiträge in den letzten Tagen: nämlich die Bereitschaft der Bürger zu erhöhen, auf „liebgewonnene Ausgaben“ (etwa für Gesundheit, Bildung und Soziales) zu verzichten, um den militärisch-industriellen Komplex noch üppiger zu füttern. Verkauft wird diese Umverteilung als überfällige Einsicht in eine „unbequeme Wahrheit“.

Ebenfalls im ZDF fragt der Historiker Sönke Neitzel: Reicht das, was Pistorius macht? Und gibt die Antwort: „Nein“. Neitzels folgende Aussage bezieht sich auf die (relative!) militärische Zurückhaltung Deutschlands in den letzten Jahrzehnten – diesem Denken sei auch die Ampelregierung noch verbunden. Was eigentlich zu begrüßen wäre, wird von Neitzel als Kritik formuliert:

    „Es ist eine ganz klare Vermeidungsstrategie. Und es ist nicht das Denken der Streitkräfte vom Krieg her. Also ich glaube, dass die Bundesregierung nach wie vor versucht, so weit das möglich ist, das militärische Argument aus der Politik herauszunehmen.“

Unterstützung für Pistorius (beziehungsweise die „Kritik“, auch die aktuelle Aufrüstung reiche immer noch nicht nicht aus) von politischer Seite, etwa der FDP und der CDU, hat der Deutschlandfunk in diesem Artikel zusammengestellt.

Friedliche Koexistenz ist keine Unterwerfung.

Eine friedliche Koexistenz mit Russland bedeutet selbstverständlich nicht, dass man einer eventuellen russischen Übermacht naiv gegenübertreten sollte – weder militärisch noch wirtschaftlich. Es bedeutet, die gegenseitigen Interessen rational zu analysieren und zu respektieren. Man muss sich nicht lieben, aber man darf sich nicht von den USA und hierzulande (vor allem, aber beileibe nicht nur) von den Grünen und vielen Journalisten gegeneinander aufhetzen lassen. Die militärischen Kräfteverhältnisse zwischen Russland auf der einen Seite und der NATO auf der anderen Seite hat etwa „Statista“ unter diesem Link verglichen – angesichts des massiven Übergewichts auf NATO-Seite erscheint die „russische Gefahr“ für das westliche Bündnis momentan alles andere als akut, was aber wiederum keine Aussage für die Ewigkeit ist.

Eine friedliche Koexistenz mit Russland bedeutet auch keineswegs, dass die wirtschaftlichen oder kulturellen Brücken zu den USA abgebrochen werden müssen. Das sollte auch nicht passieren! So sollte auch gegen die USA meiner Meinung nach kein Wirtschaftskrieg vom Zaun gebrochen werden. Deutschland könnte und müsste eine Brückenfunktion in einer möglicherweise entstehenden multipolaren Welt übernehmen.

Es ist ein wiederkehrendes Motiv der Ampelregierung: Man warnt händeringend vor Problemen, die man selber erheblich forciert hat. Wirtschaftsminister Habeck simuliert die Rettung vor den Folgen eines Wirtschaftskriegs, der vor allem von der Bundesregierung und der Führung seiner eigenen Partei vorangetrieben wurde. Und Pistorius warnt nun vor einer Gefahr, die unter anderem darum theoretisch akut werden könnte, weil auch die SPD eine friedliche Koexistenz Deutschlands mit Russland mutmaßlich US-amerikanischen Interessen geopfert hat.

Bereits vor den Kriegen kommen die sozialen Kürzungen.

Das aktuelle Trommeln für die materielle und mentale Vorbereitung auf einen Krieg erhöht nicht nur die Gefahr von Waffengängen: Schon lange vor Ausbruch von „heißen“ Kriegen wirkt diese Politik zerstörerisch für die Gesellschaft: Es werden Unsummen verschwendet – und diese Begrenzung der Haushaltsmittel führt dann unweigerlich zu unsozialen und bürgerfeindlichen Prioritäten in der Politik.

Die Gefahr einer Ausweitung des Krieges in Nahost sowie in der Ukraine bis hin zu einem Atomkrieg wächst von Tag zu Tag. Täglich sterben unschuldige Menschen.

Ich bin besorgt um unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Hinzu kommen die Gefahren, die vom brutalen Gaza Krieg ausgehen.

Anstatt auf Deeskalation und Diplomatie zu setzen, liefert die Bundesregierung immer mehr Waffen und rüstet massiv auf. Große Teile der Politik und Medien militarisieren die Gesellschaft. Erstmals wird Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel (nach Nato-Kriterien) erreichen. Mit 85,5 Milliarden Euro sind die Militärausgaben 2024 die größten seit Bestehen der Bundesrepublik.

Gleichzeitig sind das Gesundheitswesen, die Infrastruktur, die Unterstützung für Kinder und Wohnungsbauförderung, Bildung, Wissenschaft und Ausbildung durch dramatische Mittelkürzungen bedroht. Für immer mehr Menschen zeichnet sich eine soziale und ökonomische Katastrophe ab. Dazu tragen in erheblichem Maße auch die Sanktionen gegen Russland bei, die die Menschen im globalen Süden, in Europa und in Deutschland treffen:

Inflation, gestiegene Energie- und Lebensmittelpreise sowie Reallohnverlust treffen vor allem die Ärmeren und gefährden die industrielle Entwicklung auch in unserem Land.

Im globalen Süden drohen Hungerkrisen, weil Getreide, Mais, Pflanzenöl und Düngemittel nicht mehr ankommen und die Preise massiv gestiegen sind.

Es gibt nur eins, sagt NEIN zum Krieg.

Es ist höchste Zeit gegen Krieg und sozialen Krieg erneut auf die Straße zu gehen.

Medien, Journalisten, Politiker*innen und sogenannte „Experten“, sie alle appellieren an die Bereitschaft der Menschen, vor allem junger Menschen, ihr Leben für einen Krieg einzusetzen, der nicht zu gewinnen ist und der nie hätte begonnen werden dürfen. Hauptsache, die Rechnung derer stimmt, für die Kriege ein profitables Geschäft sind.

Auch gerade jetzt in unserer Zeit geben die Kriegsanstifter wieder den Ton an und beherrschen über ihre Medien die hohlen Köpfe ihrer Mitläufer. Nach der Implosion des Sowjetimperiums haben sie flink ein neues Feindbild erfunden, den Terrorismus – natürlich den in aller Welt fluktuierenden Terrorismus, nicht etwa den eigenen. Wer überrascht war, dass am 11.September  2001 zwei Türme in Manhattan, die wirtschaftliche Weltmacht symbolisierten, zum Objekt eines Terroranschlags wurden, musste vergessen haben, daß diesem Anschlag unzählige amerikanische Angriffskriege und Attentate vorangegangen waren, mit denen bestimmte Teile der Weltbevölkerung seit Jahrzehnten provoziert worden sind und noch immer provoziert werden. Selbstverständlich immer im Zeichen von Freiheit und Demokratie. Wer Informationsbedarf hat, findet bei Google 22.800 Ergebnisse zu „amerikanischer Staatsterrorismus“, 37.700 zu „amerikanische Angriffskriege“ und 13.700.000 zu „USA Terror List“.

Und wieder sind deutsche Soldaten in einen Krieg fern der Heimat involviert und ziehen die Gefahr auf ihr Land, dass der Krieg auch vor unserer Haustür stattfinden könnte. Es sind wohl noch nicht genug Särge zurückgekommen, um die Frage, wofür unsere Soldaten dort töten und sterben müssen, in einen neuen Massenkonsens „Nie wieder Krieg!“ zu verwandeln.

„Dann gibt es nur eins! Sagt Nein!“

Wie lange wird es noch möglich sein, die weitere Verbreitung der Atomwaffen zu verhindern? Und auch die neue Kampfform kleiner Völker, sich gegen die Übermacht des Stärkeren durch Geiselnahmen und Terrorkommandos im Hinterland des Feindes zu wehren, scheint an Boden zu gewinnen. Spätestens dann, wenn deutsche Banken von Selbstmordkommandos gesprengt werden, wird man wohl auch bei uns begreifen, dass die Einmischung in Kriege, die irgendwo in der Welt vom Zaun gebrochen werden, nicht ohne Gefährdung des eigenen Wohlstands abgehen muss.“ Auch in der Ukraine oder am Hindukusch kann man die Freiheit nicht straflos verteidigen.

Welche enorme Veränderung des kollektiven Bewusstseins seit 1945 stattgefunden hat, kann wohl nur empfinden, wer das Damals erlebt hat. Längst sind die militärische Dressur zum Töten und die Austreibung des Gewissens wieder als Staatsbürgerpflicht akzeptiert. Längst ist vergessen, dass in Artikel 26 des Grundgesetzes Handlungen, die geeignet sind, die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, als verfassungswidrig zu bestrafen sind. Was die amtierende Generalbundesanwältin, um nicht Leute wie Gerhard Schröder und Joseph Fischer wegen des Angriffskriegs gegen Jugoslawien anklagen zu müssen, zu der rabulistischen Gesetzesinterpretation veranlasste, es sei ja nur die Vorbereitung, nicht aber die Führung eines Angriffskrieges verboten. Und sie amtiert tatsächlich noch immer.

Einer der letzten Schritte auf diesem Entwicklungsweg war die Änderung des Sprachgebrauchs unserer Verteidigungsminister. Während der vorletzte sich noch scheute, vom Krieg in Afghanistan zu sprechen, erntet der jetzige Verteidigungsminister Pistorius  Lob für sein Bekenntnis, dass wir uns bereits im Krieg befinden. Wie gut, wird mancher brave Bürger denken, dass wir diesmal nicht zu befürchten haben, dass deutsche Städte bombardiert und deutsches Land besetzt wird, weil der Krieg nicht nur fern in Afghanistan stattfand, sondern auch immer noch zwar schon näher, aber immerhin in die Ukraine stattfindet. Aber wie erstaunt und empört würde mancher die verschlafenen Augen öffnen, wenn der leichtfertig provozierte Gegenterror uns in Form von Anschlägen nach dem Muster der Hamas in Israel oder der Nine-eleven-Attacke im eigenen Land heimsuchen sollte. Freilich höre ich für diesen Fall schon den Chor der Militärfreunde, dass die Terroranschläge aus heiterem Himmel gekommen seien und bewiesen, wie nötig es sei, den Terrorismus in aller Welt mit Waffengewalt zu bekämpfen. Und sie könnten sicher mit Volksvertretern rechnen, die noch mehr Volksvermögen für die Finanzierung von Kriegen bewilligen und noch mehr Soldaten in ferne Länder schicken würden. Der Teufelskreis des militärischen  Gewaltdenkens beherrscht wieder das kollektive Bewusstsein und läßt die Kassen der Konzerne klingeln, die an Rüstung, Zerstörung und Wiederaufbau Milliarden verdienen.

Aber wie lange noch? Ja, ich will mit einem tröstlichen Aspekt enden. Zwar wird in Kriegen regelmäßig das Recht des Stärkeren praktiziert, und so konnten die Bomben auf Jugoslawien ein nachhaltig zerstörtes Land hinterlassen, ohne daß den Angreifern auch nur ein Haar gekrümmt wurde. Aber wo sich die Aggressoren auf den Bodenkampf einließen, siegten doch mitunter die waffentechnisch weit unterlegenen Völker. Daß auch der Krieg in der Ukraine oder davor in Afghanistan nicht zu gewinnen ist bzw. war, wissen außer den verantwortlichen Politikern und ihren Mitläufern wohl alle unabhängig denkenden Menschen. Und verlorene Kriege haben ihr Gutes. Sie lassen die Menschen über die Ursachen von Kriegen nachdenken. Nach den beiden verlorenen Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts hat es lichte Momente des öffentlichen Bewusstseins gegeben, in denen selbst gemäßigt konservative Kreise die Zusammenhänge zwischen dem kapitalistischen Herrschaftssystem und der Entstehung von Kriegen erkannt und ausgesprochen haben. Nach dem Ersten Weltkrieg ist die Chance, das kapitalistische Herrschaftssystem durch eine freiheitliche sozialistische Gesellschaftsordnung abzulösen, wie sie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vorschwebte, nur um ein Haar versäumt worden. Lesen Sie dazu Sebastian Haffners Buch über die verratene Revolution von 1918/19. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, diese charismatischen Friedenskämpfer der deutschen Arbeiterbewegung, die am 15. Januar 1919 von reaktionären Reichwehroffizieren im Einvernehmen mit der damaligen SPD-Führung ermordet wurden, hätten mit Sicherheit einem anderen Sozialismus als dem von Stalin und seinen Anbetern realisierten den Weg bereitet.

Und nach dem Zweiten Weltkrieg reichte die Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem bekanntlich bis ins Ahlener Parteiprogramm der CDU, wo eine soziale und wirtschaftliche Neuordnung gefordert wurde, deren Inhalt und Ziel nicht mehr „das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben“ sein könne. Eine Entwicklung, die schon in ihren Anfängen erstickt wurde, als der kalte Krieg die antikommunistische Feldzugsbereitschaft der Nazizeit wieder auferstehen ließ und deren Exponenten wieder in Machtpositionen in Staat und Wirtschaft katapultierte.

Dann gab ein weiterer verlorener Krieg dem Widerstand gegen das kapitalistische System erneut Auftrieb, als unter dem Eindruck der Kriegsverbrechen und der Niederlage der amerikanischen Interventionstruppen in Vietnam die sozialrevolutionäre Bewegung der 60er Jahre entstand. Jedoch nach Beendigung des Krieges in Afghanistan  und seit Beginn des Krieges in der Ukraine, gibt es in unserem  Land bislang kein großes erneuten Nachdenken über die Kriegsträchtigkeit des kapitalistischen Systems und die zum Widerstand gegen die herrschende Militärdoktrin führen. Mit einer kleinen winzigen Ausnahme, Sarah Wagenknecht mit ihrem Friedensmanifest.  Ein Segen, daß in diesem Hause der Widerspruch gegen den herrschenden Zeitgeist und das Nachdenken über die Ursachen von Kriegen und deren Abschaffung einen Ort gefunden haben. Ich hoffe sie findet eine breitere Zustimmung, wenn sie ihre neue Partei, die sie zu gründen vorhat, verstärkt dem Frieden und dem sozialen widmet.

Bild: Yuliy Ganf, ‘In America – At This Restaurant Only One Person Is Served’ (Krokodil #4, 1953)

Anmerkungen und Quellen:

Rainer Roth: Sklaverei als Menschenrecht. Über die bürgerlichen Revolutionen in England, den USA und Frankreich. Frankreich/Main 2017

Rede von Präsident Xi Ping beim Weltwirtschaftsforum Davos 17.1.2017

Die innovativsten Länder der Welt: China überholt alle, Handelsblatt 10.4.2017

Im Namen des Großvaters, Der Spiegel 1/2017, S. 143

UNCTAD: Trade and Development Report 2018. Power, Platforms and the Free Trade

Delusion, New York / Geneva 2018

Borgward findet eine Nische, Handelsblatt 2.1.2017

Tenants „forced out of their homes“ by global investment firms, say UN experts

Better data on shadow banking reveals uncomfortable truths, Financial Times 11.10.2019

Saving capitalism from the rentiers, Financial Times 19.9.2019

Bluthandel. Dollar gegen Gesundheit. ARD 6.10.2019

40 years of reform and opening up, South China Morning Post 19.12.2018

Plan C, manager magazin Dezember 2016, S. 32

Deutscher auf USA-Terrorliste wegen Exporten nach Iran, FAZ 1.12.2016

Europa im Visier der Supermacht USA von W.Rügemer

Heinrich Hannover, die Republik vor Gericht – Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts

Politische Justiz 1918–1933 – „Als einer der großen politischen Anwälte schrieb [Heinrich Hannover] Justizgeschichte im Gerichtssaal, immer auf der Seite der Minderheiten; er hat für die Meinungsfreiheit, für die Demonstrationsfreiheit und die Gewissensfreiheit gefochten.


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