Kriegs- und Heldendenkmäler

Kriegs- und Heldendenkmäler zur Erinnerung an die gefallenen Soldaten zweier Weltkriege gibt es auf fast jedem Friedhof in diesem Land. Alljährlich werden stets Feierstunden des Deutschen Bundestages zum Volkstrauertag abgehalten. Für mich sind es sogenannte Pflichtübungen von Parlamentariern die eigentlich größtenteils was anderes machen. Und wo die Prognosen, so finster wie sie sind, erfüllt werden, haben wir dann schon sehr viel mehr Kriegsgräber und Denkmäler nicht nur mehr hier in Deutschland. Deutsche Soldaten sind den Politikern und Politikerinnen im Verteidigungsministerium in ihrern Reden zum Festakt allenfalls ein beiläufiges Gedenken wert; in einem Nebensatz.

Diese Toten zu beweinen ist den hinterbliebenen Angehörigen vorbehalten. Das förmliche Trauern hingegen gehört zu den selbst auferlegten repräsentativen Aufgaben unserer parlamentarischen Heuchler*innen. Deren propagandistischen Zwecken und emotionalem Bedürfnis nach öffentlicher Exkulpation sollen die Tafeln mit den Namen und Daten der »Gefallenen« sowie das davor jeweils organisierte Zeremoniell dienen.

Diese Politiker*innen sind zu verachten. Die Hinterbliebenen sind zu bedauern.

Mitleid mit ihren Toten jedoch kann ich nicht empfinden. Es verbittert nur, daß unsere Berufsarmee zunehmend und zynischerweise aus sonst beruflich weitgehend chancenlosen jungen Leuten gebildet wird, darunter überproportional viele aus den wirtschaftlich benachteiligten östlichen Bundesländern. Im Auslandseinsatz und für hohe Soldzulagen werden sie zu abhängigen Killermaschinen verkrüppelt – letzten Endes ebenfalls Opfer deutschen imperialistischen Wahns. Warum wohl haben sich seit 1998, praktisch dem Beginn der Auslands-Kampfeinsätze – Gerhard Schröders und Fischers Erbe – mehr als 20 deutsche Soldaten das Leben genommen?

Für all diese wahren Helden, Zehntausende seit 1945, gefallen auf dem Feld der Erwerbsarbeit und nicht auf dem der »Ehre«, gestorben im Existenzkampf für sich und ihre Familien, gibt es nicht ein einziges Denkmal in der Bundesrepublik. Nirgendwo hängen Tafeln mit ihren Namen, vor denen öffentlich oder privat getrauert werden könnte. Aber für die 52 Söldner des internationalen Imperialismus, die in zwölf Kriegsjahren in Afghanistan starben, gibt es gleich vier Ehrenmale. Nicht mitgezählt den monströsen Memorialklotz für allfälligen staatstragenden Mummenschanz am Bendlerblock in Berlin. Vorteilhaft am Konzept des Potsdamer Ehrenmals:

-es charakterisiert punktgenau unsere Politiker*innen ohne Unrechtsbewußtsein.

Werte regierende Friedensverräter, ich hätte da einen Gegenvorschlag zum Potsdamer Ehrenhain:

Laßt doch ein aufblasbares Kriegerdenkmal herstellen, preiswert und transportabel. Das könntet ihr ortsunabhängig verwenden, denn ständiger BW-Einsatz im Ausland ist ja mittlerweile die grundgesetzwidrige Doktrin.

Aber, die Zeitenwende nimmt Fahrt auf. Am 25. April 2024 hatte der Bundestag beschlossen, den 15. Juni zum jährlichen nationalen Veteranentag zu erklären. Damit sollen der Einsatz und der Dienst aktiver und ehemaliger Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gewürdigt werden. – ein Tag, der nicht etwa die Gefallenen der Kriege betrauert, sondern die Soldaten ehrt. Da kommen Erinnerung an den „Heldengedenktag“ der Nazis hoch. Einen eigenen Feiertag für Veteranen hat in dieser Form sonst nur die wohl am tiefsten militarisierte Gesellschaft der Welt – die USA. Was vor wenigen Jahren in Deutschland undenkbar schien, hat nun eine politische Mehrheit bei Ampel und Union. Aber wen wundert das ernsthaft? Mit der Zeitenwende feiern auch die Geschichtsvergessenheit und die Militarisierung der Gesellschaft eine unsägliche Wiedergeburt.

Dass Deutschland kein „normales Land“ ist, lässt sich recht gut an der Erinnerungskultur an die Opfer des Ersten Weltkriegs erkennen. So gedenken die Siegermächte Frankreich und die Commonwealth-Staaten ihrer gefallenen Soldaten bis heute jährlich am 11. November – dem Jahrestag des Waffenstillstands. An die Toten zu erinnern, um aus ihrem Schicksal zu lernen und Kriege zu ächten, wäre für sich genommen ein ehrenwertes Unterfangen. Auch in Deutschland gab es bereits in der Weimarer Republik ab 1925 mit dem Volkstrauertag einen solchen Gedenktag. Die Besonderheit der deutschen Geschichte führte jedoch dazu, dass der Volkstrauertag in der Weimarer Republik vor allem von revisionistischen Kräften genutzt wurde, um nicht etwa gegen den Krieg, sondern gegen die als schamvoll empfundene Niederlage Stimmung zu machen. 1934 wurde der Volkstrauertag dann von den Nazis in „Heldengedenktag“ umbenannt; die Flaggen wehten nicht mehr auf Halb-, sondern auf Vollmast, und die Gefallenen waren nun nicht mehr Opfer einer auf Kriege ausgerichteten imperialen Politik, sondern „Helden“, die für ihr Vaterland den „Heldentod“ starben. In der Bundesrepublik wurde der Heldengedenktag nach millionenfachem „Heldentod“ im Zweiten Weltkrieg dann wieder zum Volkstrauertag und nun wird an ihm den militärischen und zivilen Opfern aller Kriege gedacht.

In der aktuellen Debatte geht es aber ausdrücklich nicht um das Gedenken an die Opfer – seien es Soldaten oder Zivilisten. Der von der deutschen Politik geforderte Veteranentag ist auch nicht das Pendant zum britischen Remembrance Day oder zum französischen Jour du Souvenir. Nicht die Toten, sondern die lebendigen Veteranen sollen im Mittelpunkt stehen. So etwas gibt es weltweit nur in den USA, die neben dem Ende Mai stattfindenden „Memorial Day“, an dem der gefallenen US-Soldaten gedacht wird, mit dem „Veterans Day“ 1954 einen zweiten offiziellen Feiertag geschaffen haben, an dem am 11. November die militarisierte US-Gesellschaft die Veteranen der US-Kriege ehrt. Dieser „Veterans Day“ ist auch kein Trauertag, sondern ein Ehrentag. Während am „Memorial Day“ Kränze auf Soldatenfriedhöfen niedergelegt werden, marschieren am „Veterans Day“ traditionell uniformierte Veteranen unter dem Star-Spangled Banner durch die Innenstädte und feiern sich selbst und ihre „glorreichen“ Taten im Feld. Ein solcher Feiertag schien bislang – vollkommen zu Recht – in Deutschland vollkommen undenkbar.

Warum sollt eine Gesellschaft ihre Veteranen ehren? Es ist nicht süß und ehrenvoll, für das Vaterland zu sterben und zu töten. Ein solcher „Ehrentag“ ist auch weniger als Ehrerbietung für die Veteranen gedacht. Ginge es tatsächlich um sie, gäbe es ganz andere Möglichkeiten wie beispielsweise einen Ausbau der psychosozialen Hilfe für Soldaten mit posttraumatischen Belastungsstörungen und deren Angehörige. Nein, es geht vielmehr um das Bild des Soldaten und das Bild des Militärischen in der Gesellschaft. Auch das gehört offenbar zur Zeitenwende. Soldaten und der Krieg sollen wieder als etwas „Normales“, ja als etwas „Ehrenhaftes“ und „Gutes“ wahrgenommen werden. Es geht um die fortschreitende Militarisierung unserer Gesellschaft; der künftige „Veteranentag“ ist dabei ein Baustein unter vielen.

Warum ehrt unser Land nicht andere Berufsgruppen, deren Dienst für die Allgemeinheit von wirklich unschätzbarer Bedeutung ist? Warum gibt es keinen Ehrentag für alle Beschäftigten im Gesundheitssystem? Warum ehrt man keine Erzieher oder Lehrer? Warum nicht die zahlreichen Menschen, die weltweit den Opfern von Kriegen helfen?

Ich möchte nicht in einem Land leben, das seinen Soldaten einen Ehrentag spendiert und seine Krankenschwestern vor die Hunde gehen lässt. Ich möchte auch nicht in einem Land leben, in dem das Militärische wieder zur Normalität gehört. Und ich möchte schon gar nicht in einem Land leben, das so schnell vergessen hat, dass es doch eigentlich mal etwas aus seiner unrühmlichen Geschichte gelernt hat.


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